Farben und Klänge der Metropole

Kulturforum präsentiert die »100 besten Plakate« aus Deutschland, der Schweiz und Österreich

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Überraschend dynamisch zeigt sich in diesem Jahr die Präsentation der »100 besten Plakate« aus Deutschland, der Schweiz und Österreich im Kulturforum. Große, unregelmäßige Polyeder mit in alle Richtungen strebenden Flächen sind wild im Foyer verteilt. Sie verleihen dem Raum die Anmutung einer überdimensionierten Spielwiese von futuristisch, kubistisch und expressionistisch veranlagten Geistern. Und tatsächlich hat sich die Arbeitsgruppe der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Rhein, die diese Ausstellungsarchitektur entwarf, auch an den Filmkulissen der 20er Jahre orientiert. Die Stadt soll als »emotionaler Lebensraum« in den Kunsttempel geholt werden.

Visuell gelingt das ganz gut, auf die eingespielten Proben städtischen Lärms könnte man aber verzichten. Dennoch: Wer von der architektonischen Komponente von Fritz Langs Klassiker »Metropolis« fasziniert ist, wird auch voller Freude durch diesen Ausstellungsraum wandern. Auf den zackigen Pappkörpern sind die Plakate angebracht, die eine fünfköpfige Fachjury für die besten Plakate des Jahres 2009 aus dem deutschsprachigen Raum hält.

Vielen Darstellungen kommt die dynamische Präsentationsform zugute. Das schiefe Ei, auf dem sich eine Frau lagert, die so auf die Ausstellung »Formlose Möbel« im Museum für Gestaltung Zürich (Gestalter: Hi) hinweist, kommt auf der schrägen Ebene besonders wirkungsvoll zur Geltung. Die diagonal gesetzten dreidimensionalen Lettern, die auf eine Vorlesungsreihe des Architekten Sou Fujimoto in Trondheim aufmerksam machen, treten durch die Neigung noch explosiver aus dem flachen Blatt Papier hervor (Gestalter: Ariane Spanier). Auch die Collagen zu der Klangreise, die das Berliner Ensemble Kaleidoskop vom Büro Sebald & Söhne mit sehr rhythmischen Collagen aus Gesichtsfragmenten bewerben ließ, profitiert von der aus der Waagerechten gebrachten Präsentationsform.

Seine Reize spielt das unregelmäßige Format aus, wenn es die aus der Lotrechten strebenden Linien der Entwürfe aufnimmt. Im Falle der Bremer Stadtmusikanten, die Sabrina Keric auf einer nächtlichen Autobahn platziert, konvergieren Motiv und Ausstellungsdesign sogar auf eine genial zu nennende Art und Weise: Die weißen Fahrstreifen der Asphaltpiste, die auf dem Entwurf ins Unendliche gehen, streben dem Mittelpunkt der vieleckigen Grundfläche zu.

Allerdings gibt es auch Arbeiten, die unter der Präsentationsform leiden. Das von Carina Böhler (ausgerechnet eine Studentin der Hochschule für Gestaltung Offenbach, die ja das Ausstellungsdesign entwarf) gestaltete Plakat zur Integrationsinitiative des DFB ist in einer Nische eingeklemmt. Die filigranen Mobiles aus Möbelstücken, mit denen Demian Conrad einen Antik-Möbelmarkt in der Schweiz bewarben, können auf den am Boden klebenden Objekten ihren Freiheitsdrang und ihre Luftigkeit einfach nicht verteidigen. Ein so starker Entwurf wie der von links unten ins Zentrum strebende Schriftzug Shanghai, der von einer gegenläufigen Linienführung konterkariert wird und auf das Asienstipendien-Programm der Kunststiftung Sachsen-Anhalt verweist (Gestaltung: Klaus Pockrandt), würde sich hingegen auch in der ungünstigsten Umgebung noch durchsetzen.

Aber zumeist, das zeigen diese Beispiele, hat das Ausstellungsdesign einen eigenen positiven Effekt. Passenderweise korrespondiert die Dynamik der Ausstellung auch mit dem Geist des Essays im begleitenden Katalog. Hier breiten der Kunsthistoriker Rene Schober und der Kurator Peter Klinger vor allem die Partisanengeschichte des Plakats aus. Sie nennen Beispiele, wann wer wo illegal plakatiert und zuweilen sogar soziale Bewegungen ausgelöst hat. Als ästhetische Tendenz unter den Preisträgern des Jahres 2009 fällt auf, dass der Fotorealismus – endlich – in den Hintergrund getreten ist und sich der grafische Zugriff wieder durchsetzt.

Die Formen reichen von einem extremen, aber auch extrem wirkungsvollen Minimalismus über geschickte Assemblagen verschiedener Objekte bis hin zu elegant komponierten Schriftplakaten. Das vom Leitmedium Fernsehen geschundene Auge kann sich hier an den sorgfältigen und zuweilen sogar gedankentiefen Kompositionen der Gebrauchsgrafik erholen.

Bis 25.7., Kulturforum Potsdamer Platz, Matthäikirchplatz 4-6

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