Gefährlicher Elektrosmog?

Wissenschaftler halten Studien über Risiken für wenig aussagekräftig

Fortschritte bei der elektrischen und elektronischen Informationsübertragung wurden lange vorbehaltlos begrüßt. Inzwischen häufen sich jedoch die Stimmen, die die massenhafte Verbreitung der neuen Techniken für diverse Krankheiten verantwortlich machen.

Schon der Begriff »Elektrosmog« suggeriert, dass wir von einem Nebel elektromagnetischer Feldern umgeben sind, der ähnlich wie der Smog in der Luft das Wohlbefinden beeinträchtigt. Am längsten im Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein, stehen elektrische und magnetische Felder im Niederfrequenzbereich (bis 30 Kilohertz), wie sie in der Nähe von Stromleitungen oder Elektrogeräten auftreten. So soll der magnetische Einfluss von Hochspannungsleitungen Tumore bei Erwachsenen und Leukämie bei Kindern fördern. Epidemiologisch gebe es dafür jedoch keine Anhaltspunkte, meint Peter Kröling von der »Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften« (GWUP): »Parallel zur flächendeckenden Versorgung mit elektrischer Energie ist die Lebenserwartung der Deutschen in den letzten 50 Jahren stetig angestiegen.« Auch die Zahl der Tumorerkrankungen lag während dieser Zeit nicht erkennbar über dem Erwartungswert. Lediglich bei Kindern, die in unmittelbarer Nähe von Hochspannungsleitungen aufwuchsen, wurde ein leicht erhöhtes Risiko für Leukämie registriert. Es wäre jedoch voreilig, daraus einen kausalen Zusammenhang abzuleiten. Wie der US-Epidemiologe David Savitz herausfand, sind auch eine stärkere Verkehrsbelastung sowie ein niedriger Sozialstatus statistisch mit einer Erhöhung des Risikos für Kinderleukämie verknüpft. Erhebliche Zweifel an der Unbedenklichkeit schwacher Magnetfelder hinterließ 1995 eine Studie der Hannoveraner Tierärzte Wolfgang Löscher und Meike Mevissen. Ratten, die durch eine gentechnische Veränderung besonders anfällig für Brustkrebs waren, wurden drei Monate lang einem variablen Magnetfeld ausgesetzt. Bei hohen Feldstärken stellten die Forscher einen Anstieg der Krebsrate um 25 bis 50 Prozent fest, der, so schien es, von dem zeitgleich registrierten Abfall des Melatoninspiegels herrührte. Interessant ist diese Studie auch deshalb, weil sie zeigt, wie schwierig es häufig ist, Ursache und Wirkung genau zu bestimmen. Denn eine Senkung des Melatoninspiegels kann ebenso durch das Brummen und Vibrieren wie durch die Wärmestrahlung aktiver Magnetspulen ausgelöst werden. »Für den Menschen haben diese Ergebnisse vermutlich wenig Relevanz«, betont Kröling und beruft sich dabei auf mehrere Studien, in denen Versuchspersonen acht Stunden in 60-Hertz-Magnetfeldern schliefen, ohne dass ihr Melatoninspiegel nennenswert beeinflusst wurde. Seit in Deutschland das Handy-Fieber grassiert, hat sich die »Elektrophobie« vom nieder- in den hochfrequenten Bereich verlagert. Derzeit gibt es rund 1300 Bürgerinitiativen gegen die vermeintlich gefährlichsten Bestandteile des Mobilfunks: die Sendemasten. »Wenn überhaupt, dann kommt die Gefahr aus einer ganz anderen Ecke«, betont der Ulmer Medizintechniker Jörg-Peter Güttler: »Im Vergleich zur Antenne ist die Strahlenbelastung des Handys hundert- bis tausendfach höher.« Ist sie deshalb auch gesundheitsschädigend? Obwohl es dazu tausende Studien gibt, sind die Ergebnisse widersprüchlich. So stellten Ärzte der Essener Uniklinik fest, dass Menschen, die häufig mit dem Handy telefonieren, auch häufiger an einem seltenen Augentumor, dem »Uvealmelanom«, leiden. Da unsere Augen so gut wie keine Thermoregulation besitzen, wird häufig der Verdacht geäußert, dass die Erwärmung des Gewebes, die aus der Wirkung der gepulsten Handystrahlung resultiert, für das erhöhte Krebsrisiko verantwortlich sei. In einer vielbeachteten Studie des australischen Strahlenmediziners Michael Repacholi wurden gentechnisch veränderte Mäuse, die besonders anfällig für Lymphknotentumoren waren, bis zu 18 Monate mit gepulsten Hochfrequenzwellen bestrahlt. Ergebnis: Unter diesem Einfluss entwickelten mehr Tiere einen Tumor als ohne Feld. Dennoch ist diese Studie nur begrenzt aussagekräftig, da Mäuse auf Grund ihrer größenbedingten Resonanzeigenschaften bis zu 50-mal mehr Hochfrequenzenergie absorbieren als Menschen. Nach bisheriger Auffassung sollten Mobilfunkwellen, die zu den nicht-ionisierenden Strahlen gehören, keine direkten Schäden im Erbgut verursachen. Nichtsdestotrotz haben Henry Lai und Narenda Singh von der Uni Washington im Gehirn von Ratten, die zwei Stunden einer gepulsten Hochfrequenzstrahlung ausgesetzt waren, Brüche in der DNA entdeckt, die unter Umständen Krebs auslösen können. Auch der Fadenwurm Caenorhabditis elegans reagiert sehr sensibel auf elektromagnetische Felder. Er produziert Hitzeschockproteine, wie Forscher von der Universität Nottingham jüngst herausfanden. Solche Eiweiße entstehen normalerweise als Reaktion auf Zellschäden und kommen zuweilen in Krebszellen vor. Abgesehen davon, dass beide Befunde bisher nicht reproduziert werden konnten, gibt es auch hier keinen Grund, die Ergebnisse vorschnell auf den Menschen zu übertragen. Viele Menschen hoffen, dass für die Mobilfunktechnik irgendwann der wissenschaftliche Nachweis der Unbedenklichkeit erbracht werden kann. Da dies erfahrungsgemäß unmöglich ist, müssen wir uns wohl oder übel mit einem Restrisiko abfinden und dieses gegen die Vorzüge des Handys abwägen, meint Kröling: »Täglich gehen in Deutschland mehrere tausend Notrufe ein. Angesichts von weltweit 200 Millionen Handys mag jeder selbst abschätzen, wie viele Menschen dieser Tec...

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