Initiative gegen Werbeanrufe

Die rot-rote Landesregierung will durch verschärfte Gesetze den Telefonbetrug eindämmen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz gesetzlicher Verbote sind unerlaubte Werbeanrufe in Brandenburg an der Tagesordnung. Vor diesem Hintergrund müssten die geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter verschärft werden, sagte Verbraucherschutz-Staatssekretär Daniel Rühmkorf gestern in Potsdam.

Neben den neuen Herausforderungen durch das Internet ist laut Verbraucherschützer zwar immer noch der Problemfall der »Kaffeefahrt« präsent, bei der Menschen über den Tisch gezogen werden sollen. Doch die meist älteren Teilnehmer würden darauf nicht mehr so einfach hereinfallen. Mitunter treffen sich auch Bekannte bei solchen Fahrten »und haben einfach Spaß«, so der Geschäftsführer der brandenburgischen Verbraucherzentralen Rainer Radloff.

Leider aber ist die Arbeit von Verbraucherschützern insgesamt nicht weniger geworden – auch nicht, nachdem erste Gesetze der allgegenwärtigen Abzockerei am Telefon einen Riegel vorschieben sollten. Rühmkorf kündigte eine entsprechende Initiative von Verbraucherschutzministerin Anita Tack (LINKE) auf der Herbsttagung der Verbraucherschutzminister in Potsdam an. Sie wird die Vorsitzende dieser Konferenz sein.

Die rot-rote Landesregierung will mit einer Gesetzesnovellierung erreichen, dass sich illegale Aktivitäten auf diesem Gebiet nicht länger lohnen, erklärte der Staatssekretär. Seit einem Jahr würden gesetzliche Vorschriften zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung existieren. Die Praxis zeige aber, »dass sie nicht ausreichen«. Erforderlich seien eine mögliche Erhöhung von Bußgeldern bei Verstößen, ein erweitertes Widerspruchsrecht sowie eine vertiefte Aufklärung der Bürger. »Man muss ihnen klarmachen, wie sie gegen solche Machenschaften vorgehen können.«

Das Problem der Geschäfte am Telefon liegt auf Platz eins der Verbraucherprobleme, bestätigte Radloff. Auch er trat für »Nachbesserungen« des Gesetzes durch den Bundesgesetzgeber ein. Weil in Brandenburg prozentual sehr viele alte Menschen wohnten, sei diese Form der »Abzocke« hier auch überproportional verbreitet. Dabei würden Senioren vor allem Lotto-Verträge aufgedrängt. Bundesweit hätten im vergangenen Jahr über 110 000 Menschen ihre Probleme mit Werbeanrufen gegenüber den Verbraucherschutzzentralen bekundet.

Der Verbraucherschützer schilderte einen besonders krassen Fall, bei dem einem Senioren mit einem einzigen Anruf 15 finanziell verpflichtende Verträge aufgeschwatzt worden waren. Betagte Menschen seien oft geistig und auch finanziell wegen der dann fälligen Zahlungen überfordert.

Eine wichtige Zielgruppe bei der vorbeugenden Aufklärung seien neben Senioren auch Kinder, unterstrich Radloff. Beiden müsse ein »distanziertes Verhältnis zur Werbung« vermittelt werden. Das würde den Betrügern ihr Treiben wesentlich schwerer machen. Er regte an, auch Lehrer auf diesem Gebiet besser zu schulen.

Die Verbraucherschutzzentralen haben im vergangenen Jahr in 86 Fällen ein gerichtliches Vorgehen geprüft, fügte der Geschäftsführer hinzu. Er räumt ein, dass der tatsächliche Klageweg gegen Sünder eher die Ausnahme ist. Die Zentralen seien von öffentlichem Geld abhängig und könnten im Interesse der Steuerzahler nicht jedes Risiko eingehen. Er regte an, auch die Wirtschaft künftig über eine Stiftung zur Finanzierung der Verbraucherschutzzentralen zu verpflichten. Durch deren Vorgehen entstehe schließlich erst das Problem, und es müsse im Interesse auch der Unternehmen liegen, »schwarze Schafe« zur Rechenschaft zu ziehen.

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