Zurück zu den Wurzeln

»Berlin-Babylon. Das StummfilmLiveFestival« präsentiert große Namen und Entdeckungen

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.
Szene aus »Maciste all'inferno«
Szene aus »Maciste all'inferno«

In Kooperation mit dem Filmfest »Il Cinema Ritrovato« in Bologna, der dortigen Kinemathek und dem italienischen Kulturinstitut zeigt das Kino Babylon zehn Tage lang eine wahre Orgie sehenswerter Stummfilme.

Im ersten Jahr der Veranstaltung setzte Kurator Friedemann Beyer bei der Programmauswahl verstärkt auf große Namen und bekannte Titel. Was nicht heißt, dass es nicht auch für den Stummfilm-Routinier Entdeckungen zu machen gäbe. Gleich am ersten Abend gibt es beides, die Eröffnung im Saal mit dem frisch restaurierten »Maciste all’inferno« von 1925, einer Rarität aus der seinerzeit höchst populären italienischen Filmreihe um den starken Mann Maciste, der sich hier mal nicht gegen irdische Schurken bewähren muss, sondern gegen den leibhaftigen Teufel. (Ein Film übrigens, der den jungen Fellini so nachhaltig beeindruckte, dass er später zu Protokoll gab, alle seine Filme seien davon beeinflusst.) Und um 22 Uhr auf dem Rosa-Luxemburg-Platz Fritz Langs wiederhergestellten Über-Klassiker »Metropolis« von 1927. Allerdings nicht mit der Originalmusik, mit der die neue Restaurierung während der Berlinale uraufgeführt wurde, sondern mit einer elektronischen Neuvertonung durch Raphael Marionneau.

Während sich das Mutterfestival in Bologna vor allem an Fachleute aus Archiven, Universitäten und Kinematheken wendet, möchte der Berliner Ableger den Stummfilm wieder in der Alltagskultur etablieren. Mit diesem Ziel vor Augen, sind die Veranstalter zu allerhand Experimenten bereit. So wird Walter Ruttmanns Zeitdokument »Berlin – die Sinfonie der Großstadt« am Sonnabend ab 20 Uhr zwei Mal in Waggons der Berliner U-Bahn gezeigt. Wer den Einstünder bis zum Ende verfolgen will, wird die Stadt wohl mehrfach durchqueren müssen. Weil er auf den sonst meist mit Kurznachrichten bespielten Bildschirmen entgegen der zeitgenössischen Praxis tonlos abläuft, führt das Babylon den Film gleich im Anschluss (und an vier weiteren Terminen) auch im Saal und mit Musikbegleitung vor. Bei der Wahl der Musik blieb man allerdings modern: zu den Bildern vom Berlin des Jahres 1927 gibt’s Elektronisches vom Berliner Duo Tronthaim.

Zur Verstärkung der einheimischen Musiker wurden internationale Stummfilmpianisten von Weltklasse eingeflogen. (Wer noch keinen frühen Hitchcock gesehen hat, sollte »The Lodger« mit Neil Brand am Klavier auf keinen Fall verpassen!) Und auch die Liste der Stars und Regisseure liest sich wie das Who is Who der späten Stummfilmjahre: Louise Brooks und Rudolph Valentino, Marlene Dietrich eben vor dem Durchbruch mit dem »Blauen Engel«, Sergej Eisenstein, G.W. Pabst und Buster Keaton. Auch die Bandbreite der Genres ist groß, vom stilbildenden italienischen Monumentalfilm (»Cabiria«, 1914) über zwei frühe Western von John Ford (»Straight Shooting« von 1917 und »Three Bad Men« von 1926) bis zu Lotte Reinigers Scherenschnittdrama »Die Abenteuer des Prinzen Achmed«, von einer frühen Adaption des Jekyll-und-Hyde-Stoffes bis zur damals höchst kontroversen, politsatirischen russischen Ausbeutungs-, Revolutions- und Kolchosen-Burleske »Das Glück« von 1934.

Mit Carl Theodor Dreyers »La passion de Jeanne d’Arc« läuft eins der Meisterwerk des späten Stummfilms, das man einmal auf der Leinwand gesehen haben sollte, und in Mauritz Stillers schwedischem »Gösta Berling« beweist eine junge Greta Garbo schon 1924 ihre erhebliche Leinwandpräsenz. Ein Film übrigens, von dem Festivalpate Volker Schlöndorff gern mal ein Remake gedreht hätte.

Kino Babylon, 16.-25.7., Info & Karten Tel. 242 59 69 oder www.babylonberlin.de

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