Von wegen spiessig: Schöne Oasen werden beliebt!

  • Charlotte Noblet
  • Lesedauer: 4 Min.
Leckere Erdbeeren, Zucchinis, schöne Blumen, aber auch eine Sandkiste unterm Baum für die Kinder und gemütliche Sitzecken für die Älteren verstecken sich in der Liebenwalder Straße, Stadtteil Lichtenberg. Auch in Friedrichshain lädt der Laskerwiese Bürgergarten ein: Zwischen Lasker-, Bödicker und Persiusstraße wird neben dem Nachbarschaftsgarten eine schöne Wiese für die Öffentlichkeit fleißig gepflegt, zu der ein Grillplatz und ein Bolzplatz gehören.

Riesig ist die schöne Oase in Lichtenberg: Auf 13 000 qm bietet sie in der Liebenwalder Straße entspannende Ruhe sowie eine Menge Gartenarbeit! Etwa dreißig Familien sind als Pächter 40 qm-großer Beete für 15 Euro pro Monat fleißig dabei. Quasi die Hälfte der Gemeinschaft sind Migrant/innen. Viele kommen aus den ehemaligen Vertragsstaaten der DDR, andere sind deutsche Aussiedler. Und alle ackern da zusammen: Schließlich geht es hier um einen so genannten interkulturellen Garten!

(Mehr Bilder sind mit einem Clic auf den Titel zu entdecken)

Das Konzept kommt aus New York, wo „Community Gardens“ in den 1970er Jahren entstanden sind. Die Idee der Gemeinschaftsgärten wurde von Traumazentren als Therapie für Kriegsflüchtlinge übernommen: Mitte der 90er Jahre haben Familien aus Bosnien Gärten in Deutschland gepflegt. In Lichtenberg sind auch fünf Familien aus Bosnien von Anfang an dabei. Die anderen Pächter/innen kommen zurzeit aus Deutschland, Irak, Iran, Litauen, Pakistan, Peru, Russland und Vietnam. Neue Migrant/innen sind weiterhin herzlich willkommen.

In Lichtenberg gärtnern keine Freaks, die auf „multikulti“ stehen

Während eines Rundgangs um die fünfzig Parzellen erzählt Anne Haertel gerne über das 2006 entstandene Projekt: „Unsere Pächter kommen meistens aus der Nachbarschaft. Dass wir ein interkultureller Garten sind, spielt erstaunlicherweise kaum eine Rolle bei ihrer Entscheidung mitzumachen. Sie sind nicht alternativ, dafür aber authentisch.“

Die Projektleiterin erinnert an die schwierigen Anfänge: „Die NPD wollte die Nachbarn gegen unser Konzept aufbringen. Die Ausländerfeindlichkeit war anfangs sehr groß, aber als die Anwohner über unsere Vorhaben richtig informiert wurden, ist die Akzeptanz gewachsen.“ Seit mittlerweile vier Jahren begegnen sich Migrant/innen und Deutsche aus unterschiedenen Milieus auf dem Grundstück, wo früher zwei Kitas standen.


Natürlich gibt es verschiedene Arten und Weisen die Beete zu bewirtschaften. Ein Iraner züchtet lauter Rosen, die in seiner Heimat zusammen mit Olivenbäumen eine hohe Symbolik haben. Eine kurdische Familie experimentiert erfolgreich mit importierten Saubohnen. Eine deutsche Gärtnerin zeigt mit Riesenstolz ihre kräftigen Tomaten aus Polen und dicken Kartoffeln aus Belgien. „Die Nationalität macht nicht wirklich den Unterschied beim Gärtnern, eher die Kulturen der verschiedenen Milieus“, kann Anne Haertel bestätigen. Dazu gehören auch der Regel-Fanatiker sowie der Besserwisser. „Es gibt manchmal Krach zwischen den Gärtnern, dann ist die Betreuung sehr wichtig.“

Vieles ist in den interkulturellen Gärten erlaubt: Im Gegensatz zu Kleingärten brauchen sich die Pächter an kaum eine Regel halten, nur die Arbeitseinsätze für die gemeinsamen großen Wiesen, den Rosengarten, den Weidenwald sowie den Kinderspielplatz werden ganz genau vorgegeben. „Dazu haben die Gärtner häufig zwei Meinungen!“ fasst die Projektleiterin zusammen.


Eine dieser Debatten rund um die Mitbenutzung des Ganzen wird demnächst beendet. „Eigentlich soll das Gelände öffentlich sein“, sagt Anne Haertel. „Da sind auch unterschiedliche Meinungen zu hören“. Die Einen haben Angst, sich nicht mehr zurückziehen zu können. Dafür sind aber die 13 000 qm quasi eine Garantie! Die Anderen wollen wegen der Kinder lieber geschlossene Türen behalten. Das scheint das einzige Argument zu sein, welches die Projektleiterin verstehen kann. Dafür kommt aber die Lösung: Im Eingangsbereich wurde ein schicker Pavillon fertig gebaut, da wird demnächst die „Umweltkontaktstelle“ mit Büros und Infopunkt arbeiten, um den Bereich Umwelt im Bezirk sichtbarer zu machen. „Dann gibt es fast immer jemanden, um die Tür aufzumachen“. Anne Haertel freut sich schon über die offizielle Eröffnung am 3. September: „Vielleicht kriegt unser schöner Garten bis dahin noch eine Klingel und etwas mehr Aufmerksamkeit.“

Friedrichshain liegt auch im grünen Bereich

Mehr Aufmerksamkeit wünschen sich auch die Stammgärtner aus dem Bürgergarten Laskerwiese im Stadtteil Friedrichshain. Auch hier wird seit 2006 alles grün gemacht. Aus einer ehemaligen Brache sind jetzt ein Nachbarschaftsgarten mit Teich, ein Grillplatz sowie ein Bolzplatz entstanden.

Schön sieht es heutzutage aus, dafür gibt es aber immer wieder eine Menge Gartenarbeit zu leisten. Auf weitere Hilfe jeder Art bei Arbeitseinsätzen freuen sich die Mitglieder des Vereins "Bürgergarten Laskerwiese e.V." Am kommenden Samstag sind sie vor Ort und freuen sich auf neue Gesichter!

Interkulturelle Gärten in Berlin: HIER
Überblick über alle Gemeinschaftsgärten: HIER


Interkultureller Garten - Lichtenberg
Interkultureller Garten - Lichtenberg
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