Neue Zellen ergänzen die freien

Der Berliner Gefängnisneubau in Großbeeren bleibt ein umstrittenes Projekt / Brandenburg hat freie Plätze

  • Michael Sagorny
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eng in Berlins Gefängnissen. Die insgesamt 5200 Haftplätze der Hauptstadt sind weitgehend belegt. Oft gibt es sogar mehr Häftlinge, gelegentlich weniger. Um die Lage zu entspannen, ist südlich von Berlin in Großbeeren (Teltow-Fläming) ein neuer Knast für die Hauptstadt geplant. Auf ehemaligen Rieselfeldern, der Boden gehört Berlin, soll für 120 Millionen Euro die Justizvollzugsanstalt (JVA) Heidering mit über 600 neuen Plätzen entstehen – ein umstrittenes Projekt.

Der Grund für die Bedenken: Die sechs Gefängnisse in Brandenburg können 2125 Gefangene aufnehmen. Zirka 700 Plätze davon sind ungenutzt, davon 300 im geschlossenen Vollzug. Auch das kostet den Steuerzahler eine Menge Geld. Es ist kaum davon auszugehen, dass sich die Zahl der Häftlinge in Zukunft stark erhöht. Der Altersdurchschnitt im Land ist durch Abwanderung recht hoch. Außerdem sollen in den kommenden zehn Jahren 1900 der 8900 Stellen in der Brandenburger Polizei eingespart werden. Weniger Ermittler bedeutet natürlich auch weniger Verfahren, also weniger Haftstrafen. Der Gedanke, Häftlinge aus den überfüllten Gefängnissen der Hauptstadt in den unterbelegten des Umlandes unterzubringen, liegt nahe. Doch genau hier wird es kompliziert, denn die Justiz ist Ländersache.

Das Recht beschäftigt sich nicht nur mit dem Strafmaß von Übeltätern, sondern auch mit ihrer Situation hinter Gittern. Ein Urteil des Verfassungsgerichts lautet, dass die Unterbringung in einigen Anstalten Berlins menschenunwürdig ist. In Haus 1 und 2 der 1898 in Betrieb genommenen JVA Tegel sind etliche Zellen nur 5,25 Quadratmeter groß. Zu klein für eine längere Haftstrafe, so das Urteil. Ein weiterer Spruch des Kammergerichts besagt, dass die Häftlinge heimatnah untergebracht werden müssen. Für ungehinderten Besuch und eine bessere Resozialisierung. »An diesen Urteilen kommen wir nicht vorbei«, erklärt Corinna Hartmann, Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Justiz.

Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (LINKE) hält das Urteil des Kammergerichts für eine Einzelentscheidung, nicht für ein Grundsatzurteil. Er bietet den Berlinern Gespräche auf allen Ebenen an: Vermietung einzelner Haftplätze, Räumung eines ganzen Gefängnisses für die Hauptstädter oder die Schaffung von Schwerpunktknästen, etwa für Senioren oder Polnisch sprechende Gefangene. Das Angebot scheint vernünftig. Brandenburgs Gefängnisse wurden aufwändig renoviert oder zum Teil neu errichtet. Sie sind modern, allerdings mit gewaltigen Überkapazitäten. Deswegen wurde die begonnene Renovierung der JVA Brandenburg/Havel gestoppt. Berlins Knäste sind alt und bis an die Schmerzgrenze belegt.

Doch inzwischen sind die Fronten politisch verhärtet. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte am vergangenen Dienstag: »Ich kann verstehen, dass Brandenburg die eigenen Gefängnisse gern durch Berlin sanieren lassen würde. Darum geht es im Kern.« Und deswegen wird wohl trotz Finanzkrise für 120 Millionen Euro ein neues Gefängnis gebaut. Unter Berliner Leitung, in Brandenburg, dem Bundesland mit den vielen freien Zellen.

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