Tagelöhner ziehen durch die Mark

Bündnisse gegen Sozialabbau wollen auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse aufmerksam machen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie tragen verschlissene Kleidung und sind mit völlig veralteten Fahrzeugen unterwegs. So soll ein Zug von etwa 12 bis 15 als »Wanderarbeiter« verkleideten Aktivisten aussehen, der heute von Luckenwalde aus seine zehntägige Tour quer durch Brandenburg startet. Er wird dabei in acht Städten, unter anderem in Eisenhüttenstadt, Brandenburg/Havel und Potsdam, Station machen.

Organisator der Aktion ist die »Soziale Bewegung Land Brandenburg« (SBB). Der Zusammenschluss aus Bürgerinitiativen und Bündnissen gegen Sozialabbau will mit dem symbolischen Zug auf die sozialen Folgen der sich wandelnden Arbeitswelt sowie einer aus seiner Sicht verfehlten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aufmerksam machen.

»Die öffentliche Diskussion über zunehmende unsichere Lebens- und Arbeitsverhältnisse soll dadurch forciert werden«, erklärte SBB-Sprecher Frank Eschholz. Denn sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse würden zunehmend durch Leiharbeit oder auch Praktikumsplätze ersetzt. Der »Zug der Tagelöhner« solle in diesem Zusammenhang symbolisieren, dass die von vielen Unternehmen geforderte Mobilität und Flexibilität Menschen aus ihrem sozialen Umfeld herausreißt. Der Druck auf prekär Beschäftigte und Arbeitsuchende wird indes vor allem durch die Massenarbeitslosigkeit sowie massive Kürzungen sozialer Leistungen immer größer.

Viele Einkommen reichen nicht zum Leben

Trotz der in den vergangenen Monaten sinkenden Arbeitslosenquote in Brandenburg – wenn auch im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mit derzeit 10,6 Prozent sehr hohen – sieht die SBB die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt skeptisch. Denn wegen des sinkenden Lohnniveaus würden viele Einkommen inzwischen nicht mehr zum Leben reichen. Deswegen müssten zahlreiche Beschäftigte als »Aufstocker« zusätzlich zu ihrem Gehalt Hartz IV beantragen.

Über diese schwierige Lage der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten wollen die Aktivisten vor allem mit den Bürgern ins Gespräch kommen. Man will Vorurteile abbauen und Entsolidarisierungstendenzen entgegengewirken. Das Programm ist laut Eschholz in den jeweiligen Städten unterschiedlich. In Brandenburg/Havel werde man sich beispielsweise am 26. Juli an der Montagsdemonstration beteiligen. »Ansonsten sind ein buntes Rahmenprogramm mit Musik sowie Podiumsdiskussionen geplant«, sagte der SBB-Sprecher. Dazu habe die »Soziale Bewegung« unter anderem Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Politiker, Unternehmer und Gewerkschafter eingeladen. Mit der Resonanz sei er einigermaßen zufrieden, resümierte Eschholz. Zwar habe etwa die Hälfte der potenziellen Debattenteilnehmer abgesagt, aber dies sei auch durch die Sommerferien zu erklären.

Debatten mit Bürgern und Bundespolitikern

Ziel des Zug ist am 28. Juli der Bundestag in Berlin. Dort wollen die »Wanderarbeiter« mit Abgeordneten aus der Bundespolitik diskutieren.

Dabei könnte auch die Wirksamkeit des derzeitigen »Europäischen Jahres gegen Armut und soziale Ausgrenzung« zur Sprache kommen, auf das sich die SBB mit ihrer Aktion bezieht und an dem sich auch die Bundesregierung beteiligt. »Das Europäische Jahr beschränkt sich hauptsächlich auf symbolische Aktionen. Dass das propagierte Motto, nämlich gegen Armut und soziale Ausgrenzung vorzugehen, auch umgesetzt wird, bezweifle ich«, kritisierte Eschholz.

Das »Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung« wird in Deutschland unter dem Motto »Mit neuem Mut« begangen, das sich auf die Situation und Perspektiven der Erwerbslosen bezieht. Im Zentrum steht dabei nicht etwa ein Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, sondern die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Bandbreite der Förderangebote für Arbeitslose zu lenken.

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