Aids und der Fußballtraum

In »Themba« erzählt die Südafrikanerin Stefanie Sycholt vom Mut eines Jungen, sich seinem Schicksal zu stellen

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Ziel dieses Films ist Aufklärung. Aufklärung über eine Seuche, die vermeidbar ist, wenn man sich dem Bewusstsein stellt, dass es sie zu vermeiden gilt. Dass in Südafrika fast ein Fünftel der Bevölkerung mit dem HI-Virus infiziert ist, hat mit Armut zu tun, vor allem aber mit einem Mangel an Aufklärung: über die Mechanismen der Ausbreitung des Virus, über seine Prävention und über Möglichkeiten seiner Eindämmung nach der Ansteckung. Wenn dazu noch beinahe ein Drittel der Bevölkerung glaubt, man müsse nur mit einer Jungfrau schlafen, um die Ansteckung rückgängig zu machen, ist der Teufelskreis perfekt.

Weil die Regierungspolitik nach dem Ende der Apartheid das Problem eher verschärfte als anging, weil man das explosionsartig anwachsende Aids-Problem verschwieg, die erschreckenden Zahlen der Neuansteckungen, Aids-Waisen und Todesfälle nicht wahrhaben wollte, den internationalen Pharmakonzernen und ihren teuren antiretroviralen Medikamenten nicht traute und nicht in den Ruf kommen mochte, eine Nation von Vergewaltigern und Opfern zu sein, ist Aids bis heute ein Tabu-Thema in weiten Teilen Südafrikas. Wer sich aber schämt, spricht nicht über seine Krankheit. Wer nicht über seine Krankheit spricht, bekommt keine Hilfsangebote – und gefährdet andere durch sein Schweigen.

»Themba« ist ein Nachzügler in der Reihe von Filmen über Südafrika, die zur Fußball-WM in die Kinos kamen. Sein Held ist ein junges Fußballtalent, ein Hoffnungsträger, der dies schon im Namen trägt: »Themba« bedeutet Hoffnung in der Sprache der Xhosa. Von einem Talentsucher bei einem Spiel seiner barfüßigen Hobby-Mannschaft aus einem Rundhüttendorf in der Provinz Ostkap entdeckt, hat Themba die Chance zur großen Karriere bei der Jugend der südafrikanischen Nationalmannschaft. Und er hat eine Familie, die nach dem Verschwinden des Vaters auf die Arbeitskraft der Mutter angewiesen ist. Als die sich mit einem Verwandten ihres Mannes einlässt, der sich als Lügner und Tunichtgut erweist, ereilt Themba und seine Mutter das Schicksal vieler Südafrikaner.

Dass der im Land bekannte Schauspieler Patrick Mofokeng diesen Säufer und Vergewaltiger erst nicht spielen wollte, spricht Bände über das Stigma, das der Volkskrankheit Aids in Südafrika anhaftet. Auch der Film macht das deutlich: die Frauen, die vor dem Bus einer Aufklärungskampagne schlangestehen, in dem ein Aids-Test angeboten wird, werden von den Männern in der Bar verunglimpft, die ihrerseits nicht dran denken, sich unangenehmen Wahrheiten zu stellen. Und statt Aufklärung lieber den Mythos propagieren, nach dem der Sex mit einer Jungfrau die Seuche heilen könne. Ein bequemer Irrglaube, der Themba zum Verhängnis wird.

»Themba« beruht auf einem erzieherischen Roman des deutsch-niederländischen Pädagogen Lutz van Dijk, der auch die Initiative HOKISA mitbegründete, die im Township Masiphumelele bei Kapstadt für Unterkunft für Aids-Waisen und HIV-infizierte Kinder sorgt.

Das Buch ist Nkosi Johnson gewidmet, der zum Gesicht der Welt-Aids-Konferenz 2000 in Durban wurde, als er dort – in krassem Gegensatz zur Politik der Regierung Mbeki – freie Medikamente für alle Infizierten forderte, nur Monate, bevor er mit zwölf Jahren an Aids starb.

Wenn Themba sich also seinem Schicksal stellt und öffentlich verkündet, ja, er sei HIV-positiv, und ja, er werde für Bafana Bafana spielen, dann agiert er als Sprachrohr einer Initiative, die sich für mehr Offenheit im Umgang mit der Krankheit einsetzt. Und ist damit seinen wahren Kollegen unter Südafrikas Profi-Fußballern um eine bahnbrechende Pressekonferenz und sehr viel Mut voraus, von denen Sycholt sagt, etliche seien infiziert und einige bereits an Aids gestorben.

Über die Krankheit gesprochen hatten sie vorher nicht.

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