Niedrigenergiehäuser lohnen sich

Bei guter Planung kommen auch Großprojekte ohne staatliche Förderung aus

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Es lohnt sich auch ohne staatliche Hilfen, Gebäude nach Niedrigenergiestandard zu bauen. Das sagt Architekt Dietrich Schwarz im Gespräch mit Yvonne von Hunnius. Mit dem Eulachhof im schweizerischen Winterthur hat er das auch bewiesen. Schwarz ist Dozent für nachhaltiges Bauen am Institut für Architektur und Planung der Hochschule Liechtenstein und betreibt in Zürich ein Architekturbüro. 2009 bekam er den »Watt d’Or« des Schweizer Bundesamtes für Energie.

ND: Ihr Architekturbüro hat den Eulachhof nach Null-Energie-Standard ohne staatliche Förderung realisiert – hat das nur funktioniert, weil sie damit so viele Preise gewonnen haben?
Schwarz: Nein, Preise füllen keine Kassen. Solcherlei Großprojekte brauchen keine Förderung. Die Mechanismen sind einfach: Große Immobilien-Fonds beauftragen externe Ratingabteilungen mit einer unabhängigen Schätzung, wobei die Energieeffizienz zunächst gar nicht interessiert. Der Schätzer gibt der Immobilie nicht einen höheren Wert, nur weil sie energieeffizient ist. Doch die reduzierten Nebenkosten erlaubt er zu den Investitionskosten zu verschieben. Bei einer Viereinhalbzimmerwohnung spart man ungefähr für sieben Franken Energie. Besonders bei der Erstvermietung ist der Effekt positiv. Der Eulachhof wurde in fünf Monaten komplett vermietet und nicht in zwei Jahren wie vorgesehen. 40 Prozent der Interessenten haben gezielt nach dem Energiehaus gefragt. Das ist enorm.

Spielen steigende Energiepreise nicht auch hinein? Der Nachhaltigkeits-Indikator ESI der Uni Zürich zeigt doch, dass grüne Gebäude sich langfristig lohnen …
Der Energiepreisaspekt ist für die Investition irrelevant, jedoch für den Fondsmanager interessant. Zudem zeigt er, dass Einfamilienhäuser durch das nachhaltige Bauzertifikat »Minergie« drei Prozent mehr Wert gewinnen, für große Immobilien ist das noch nicht bewiesen. Doch das braucht es durch den beschriebenen Nebenkosteneffekt eigentlich gar nicht.

Sie haben bereits öffentlich kritisiert, dass Schweizer Architekten sich der Nachhaltigkeit versperrten – wie erklären Sie sich das?
Sie sperren sich nicht in allen Bereichen. Generell stellt sich jedoch die Frage: Wie viel soll an der Gebäudehülle gemacht werden und wie viel über Haustechnik geschehen? Viele Schweizer Planer beziehen Photovoltaik und Wärmepumpen mit ein und legen weniger Wert auf die passiven Systeme, die viel Energie sparen. Mein Ansatz ist, erst die Form mit integrierten passiven Systemen anzugehen und dem energieeffizienten Haus dann Solarenergie-Elemente zu geben. 90 Prozent der Energie sollte im besten Fall eingespart und der Rest durch alternative Energien ersetzt werden. Das ist eine akademische Diskussion.

Liegt das auch daran, dass man Häuser nicht »zu Tode dämmen« will, wobei die Ästhetik auf der Strecke bliebe?'
Man muss nicht unbedingt sehr kleine Fenster einsetzen, um Energie zu sparen – da wird viel falsch verstanden. Man kann sehr präzise auch anspruchsvolle Fassaden schaffen und sanieren. Wir stehen hier noch am Anfang und haben noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgelotet. Es gibt beispielsweise erst ein Dutzend derartiger Großprojekte in der Schweiz.

Wie ist es denn gestalterisch möglich, Harmonie zu gewährleisten?
Wir in der Lehre und auch im Büro sind der Überzeugung, dass das letzte Jahrhundert unter den Gestaltungsprämissen der Moderne stand. Hierzu zählte die Industrialisierung – mit den positiven Aspekten des Wohlstands und Nebenwirkungen wie der Maschinengläubigkeit. Jetzt geht es um ein philosophisches Umdenken.

Das nächste Jahrhundert wird von nachhaltigen Gestaltungsmerkmalen geprägt sein. Momentan stützt man sich in der Übergangsphase noch auf Altbekanntes, also auf Technologie. Doch wir können nicht endlos alte Technologie durch neue ersetzen – wir müssen Technologie reduzieren. Denn jede Maschine braucht Energie. Und nun fragt sich, wie wir mit weniger Energie und Maschinen dennoch höhere Lebensqualität erzielen können. Das Grundziel jeder Gesellschaft ist doch die Lebensqualität des einzelnen und die Wohlfahrt der Gesellschaft. Es wird sich eine neue Sinnlichkeit wider die männlich dominierte Technik durchsetzen.

Und woran lässt sich Ihr Ansatz der passiven Systeme am Eulachhof ablesen?
Die ganze Südfassade ist eine solare Gewinnfassade, was für das passive Konzept entscheidend ist. Wir haben in unserer Firma Glassx Solarthermie-Speichergläser entwickelt, die enorme Dämmqualitäten besitzen. Sie stabilisieren das Haus trotz hohem Glasanteil, sodass es so schwer wie ein Massivbau wird. Die im Glas integrierten Salze schmelzen und frieren – sie werden bei Sonneneinstrahlung weiß wie Schnee und bei Kälte klar wie Wasser. Und auf dem Dach haben wir uns für die effizienteste Variante – Photovoltaik – entschieden. Das sind optimal investierte Flächen. Betrachtet man sich die CO2-Bilanz der Fassade, sind wir zwischen 50 und 60 Franken pro eingesparte Tonne CO2. Das wird bald für 40 Franken möglich sein und ist nur eine Frage der Entwicklung.

Staatliche Förderung könnte diese Entwicklung beschleunigen – wenn Sie die Wahl hätten, beliebige Förderinstrumente einzuführen, welche würden Sie wählen?
Ich war Teil des Beirats einer kantonalen Energiebehörde und auch dort hat man sich richtigerweise dafür entschieden: Sanierung wird gefördert und hier sind die Förderbeiträge vielerorts auch voll zufriedenstellend. Neubauten hingegen muss und soll man nicht fördern. Hier sollten Energiestandards binnen eines fixen Zeitraums festgesetzt werden. Beispielsweise: In zehn Jahren gilt der Minergie-P-Standard für alle neuen Gebäude. Somit hat der Investor Planungssicherheit. Und wer die Mehrkosten von fünf bis zehn Prozent, die ein solches Haus braucht, nicht aufbringen kann, der sollte nicht bauen. Denn alle nicht energieeffizienten Häuser werden später ohnehin saniert, was den Besitzer noch teurer kommen kann.

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