Nach Abriss nun der Aufbau

Das Errichten von Mietwohnungen wird wieder gefördert

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

15 Jahre lang stand vor allem der Wohnungsabriss im Vordergrund. Nun soll nach mehrjähriger Unterbrechung in Brandenburg die Förderung vom Mietwohnungsbau wieder möglich sein. Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) stellt dafür 30 Millionen Euro zur Verfügung. Bis 2013 kann damit der Bau von rund 1000 Wohnungen unterstützt werden.

Ein neuer Trend ist Vogelsänger zufolge im Bundesland erkennbar. Immer mehr Menschen ziehen zurück in die Städte, nicht mehr raus aufs Land. Infrastruktur und Dienstleistungen in den Städten werden wieder geschätzt. Nach Jahren des Abrisses ist der Wohnraum knapper geworden. Dem soll begegnet werden. »Wir brauchen in moderatem Umfang wieder eine Neubauförderung.«

Hilfe gibt es in Form von zinsfreien Darlehen, die nach 15 Jahren zurückgezahlt sein müssen. Bedingung für die Gewährung ist, dass mindestens ein Viertel der neu gebauten Mietwohnungen preisgünstig angeboten wird. Je höher der Anteil der preiswerten Wohnung ist, umso höher liegt die verheißene Darlehenssumme, die bis zu 600 Euro pro Quadratmeter erreichen kann.

Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann, in dessen Stadt sich die Einwohnerzahl seit 1990 halbierte, räumte ein, dass angesichts der Neubauförderung »erst einmal Fragezeichen« auftauchen. Doch sei auch in Wittenberge eine Aufwertung der Innenstadt durch Neubau wichtig.

Cottbus hat in den zurückliegenden 20 Jahren rund 40 000 Einwohner eingebüßt und Quartiere beseitigt. Trotzdem braucht es Wohnungen. Die Innenstadt habe einen Bevölkerungszuwachs von 14 Prozent erfahren. Vor allem kleinere Wohnungen seien erforderlich, erklärte die Baubeigeordneten Mariette Tzschoppe.

Minister Vogelsänger betonte, dass bei diesem Darlehensprogramm ausschließlich Bundesmittel eingesetzt werden. Antragsberechtigt seien alle sogenannten Ober- und Mittelzentren. Bis 15. Oktober müssen die Anträge eingegangen sein. Wer den Zuschlag erhält, darüber soll eine Jury befinden, in der die Wohnungsunternehmen, der Städte- und Gemeindebund, der Mieterbund und die Akademie zweite Lebenshälfte vertreten sein sollen. Nach Angaben Vogelsängers gibt es vor allem in Potsdam Bedarf an günstigem Wohnraum. Die Stadt wächst pro Jahr um 1000 bis 1200 Einwohner. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sprach von einer »einzigartigen Situation« und davon, dass im Jahr 2030 rund 180 000 Menschen in Potsdam leben könnten. Die Tatsache, dass es schon heute praktisch keinen Leerstand mehr gebe, bringe die Potsdamer Mietpreise unter Druck. »Steigende Mieten sind ein großes Problem und günstiger Wohnraum unser Ziel.«

Potsdams Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, der bei der Oberbürgermeisterwahl am 19. September gegen Jakobs antritt, nannte das Programm einen »Einstieg«. Die Probleme würden damit allerdings nicht gelöst. Kritisch äußerte sich Scharfenberg zum Plan des Oberbürgermeisters, das Plattenbaugebiet Drewitz aufzuwerten. Zwar sei das Ziel nicht falsch, doch werde versäumt, die dort wohnenden Menschen dabei mitzunehmen. In Drewitz herrsche angesichts der »Aufwertungsvorstellungen« Angst vor steigenden Mieten.

Seit der Jahrtausendwende wurden in Brandenburg fast 55 000 Wohnungen abgerissen. Eine Leerstandsquote von bis zu 50 Prozent, unter der einzelne Wohnungsunternehmen litten, konnte auf diese Weise auf durchschnittlich 9,2 Prozent im Jahr 2009 gedrückt werden. Während 2002 etwa 165 000 Wohnungen leer standen, sind es jetzt bloß noch 120 000.

Der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) nannte die angekündigte Neubauförderung erfreulich. In wachsenden Städten wie Potsdam bestehe dafür ein Bedarf, sagte BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern. Gesucht werden laut Kern vor allem auch Spezialimmobilien für Senioren und Behinderte. Angesichts eines mit rund zehn Prozent nach wie vor sehr hohen Leerstands werde Neubau jedoch »die Ausnahme bleiben«. Deshalb dürften andere Aspekte der Stadtentwicklung nicht vernachlässigt werden. Insbesondere müsse sich die Landesregierung mit Nachdruck gegen die vom Bund beabsichtigte Reduzierung der Städtebauförderung einsetzen.

Die FDP lehnt die Neubauförderung ab. Sie warnte vor Fehlinvestitionen, die an den Realitäten vorbei gehen. »Ballungsräume wie Potsdam entwickeln sich aufgrund ihres Potenzials weitgehend eigenständig und bedürfen keiner zusätzlichen finanziellen Hilfe«, meinte der Landtagsabgeordnete Gregor Beyer.

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