Sorgerecht öfter entzogen

Anzeigen wegen Kindesmisshandlungen nehmen zu

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Anzeigen wegen Kindesmisshandlungen haben im Land Brandenburg tendenziell zugenommen. Wie Jugendminister Holger Rupprecht (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage mitteilte, hat die Polizei im vergangenen Jahr 141 derartige Fälle aufgenommen. Im Jahr 2007 seien es 133 Anzeigen gewesen und 2005 noch 111.

In den 1990er Jahren pendelte die Zahl der Misshandlungsanzeigen zwischen 60 und 100 pro Jahr. Gleichzeitig ging die Zahl der Kinder zurück, was den Anstieg noch dramatischer macht. Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass höhere Anzeige-Zahlen nicht unbedingt mit mehr Misshandlungen, sondern auch mit einer höheren Sensibilisierung der Umwelt zu tun haben können.

Seit Mitte des Jahrzehnts steigt diesen Angaben zufolge die Zahl der Kinder wieder, bei denen ein Gericht den Eltern das Sorgerecht entzogen hat. 2005 galt das für 268 Kinder und Jugendliche, im Jahr 2008 für 364.

Laut Minister umfasst die Statistik sogenannte Selbstmelder, also Kinder und Jugendliche, die auf eigenen Wunsch in Obhut genommen werden, sowie Minderjährige, die wegen Gefährdung beziehungsweise dringender Gefahr für ihr Wohl von Amts wegen aufgenommen werden.

Holger Rupprecht zufolge ist eine 24-stündige Erreichbarkeit aller Jugendämter in Brandenburg gewährleistet. Darüber hinaus machen diese Ämter durch Internetauftritt, Amtsblatt, Flyer und öffentliche Aushänge auf ihre Erreichbarkeit aufmerksam. Laut Stellungnahme waren 2006 insgesamt 868 Stellen im pädagogischen und Verwaltungspersonal der Jugendämter besetzt.

Während es in der kreisfreien Stadt Brandenburg/Havel 82 Familien mit Kindern unter 18 Jahren je Jugendamtsmitarbeiter gibt, sind es laut Rupprecht im Kreis Oberhavel 422 Familien. Pro Jahr werden zwischen 1200 und 1400 Kinder von Ämtern vorläufig in Obhut genommen.

Die Ausgaben für die Jugendhilfe im gesamten Land beliefen sich im Jahr 2008 auf 875 Millionen Euro. Die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) wandte in diesem Jahr 26,2 Millionen Euro auf, die Landeshauptstadt Potsdam 70,7 Millionen. Bei den Landkreisen sind die Ausgaben von Prignitz mit 23,4 Millionen Euro am niedrigsten. Der Kreis Potsdam-Mittelmark investierte im gleichen Jahr 75,5 Millionen Euro.

In der Vergangenheit schnitt Brandenburg im bundesweiten Vergleich bei Misshandlungsfällen regelmäßig schlecht ab. Laut Statistik gibt es anderthalb Mal so viele erfasste Misshandlungsfälle und vier Mal so viele Fälle der Verletzung von Fürsorgepflichten wie im Bundesdurchschnitt. Nicht sicher ist aber, ob andere Länder wirklich weniger betroffen sind, oder ob dort lediglich »mehr unter der Decke bleibt«.

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