Debatte ohne Baugruppen

Linke Strukturen beklagten drohende Verdrängung

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch immer ist die Zukunft des Linienhofes offen. Das Gelände in der Linienstraße in Mitte wird von unkommerziellen Handwerkern und Künstlern für ihre Arbeiten genutzt. Nun will eine Baugruppe, die das Gelände gekauft hat, mit der Errichtung eines Mehrfamilienhauses beginnen. Anfang August sollten die Bauarbeiten starten und die Nutzer des Linienhofes mobilisierten ihre Unterstützer. Doch die Bagger sind bisher nicht angerollt.

Seitdem herrscht Funkstille zwischen Platznutzern und Baugruppe. Bei der Diskussionsveranstaltung unter dem Motto »Baugruppen und gewachsene linke Strukturen im Interessenkonflikt« am Montagabend in dem Berliner Cafe Morgenrot war kein Baugruppenmitglied anwesend. Ob fehlende Bereitschaft oder Kommunikationsprobleme der Grund waren, ist unklar. Das Baugruppenmitglied Mathias Greffrath erklärte der ehemaligen Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert, die die Veranstaltung moderierte, er habe die per Mail verschickte Einladung zu spät erhalten.

Wäre Greffrath anwesend gewesen, hätte er sich manche Kritik anhören müssen. »Baugruppen sind eine Form der Eigentumsbildung, die denen verschlossen bleibt, die nicht das nötige Eigenkapital zum Einstieg mitbringen. Ihre Mitglieder kommen aus kreditfähigen Mittelklassehaushalten«, erklärte ein Vertreter des Bündnisses »Steigende Mieten stoppen«. Weil die Grundstücke, auf denen Baugruppen ihre Häuser errichten, für einen sozialen Wohnungsbau nicht mehr zur Verfügung stehen und sich durch das Konsumverhalten der Baugruppenmitglieder teure Läden und Restaurants in der Umgebung ansiedeln, tragen sie auch zur Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen bei.

Das bestätigte Karla Pappel, eine Aktivistin der Alt-Treptower Stadtteilinitiative, wo sich mehrere Baugruppen angesiedelt haben. Sie trügen zu Mietsteigerungen in der Umgebung bei. Die Stadtteilaktivistin kritisierte zudem, dass die Baugruppen Begrifflichkeiten verwenden, die in sozialen Bewegungen entwickelt worden sind. So sei das Schlagwort vom kollektiven Wohnen oder die Parole »Die Häuser denen, die drin wohnen«, in den 80er Jahren von der Hausbesetzerbewegung kreiert worden. »Damals ist es aber um Aneignung und nicht um Eigentumsbildung gegangen«, betonte sie. Die Nutzung der Begriffe sei aber nicht zufällig. Nicht wenige der Baugruppenmitglieder waren in ihrer Jugend Hausbesetzer oder sind noch heute in sozialen Bewegungen aktiv. So hat sich Mathias Greffrath publizistisch im Umfeld von Attac gegen eine unsoziale Globalisierung positioniert.

Dass es bei dem Konflikt um die Baugruppen um unterschiedliche Interessen geht, machte der Stadtsoziologe Andrej Holm deutlich. »Mitglieder von Baugruppen profitieren von der Aufwertung eines Stadtteils, weil der Wert des Eigentums steigt. Für Mieter hingegen wird dadurch das Wohnen teurer.« Dieser reale Interessenkonflikt bestehe auch dann, wenn sich die Mitglieder der Baugruppe als politisch links definieren und sich sogar, wie in Alt-Treptow geschehen, als Gegner der Gentrifizierung bezeichnen. Der Grund der vor allem ideellen Förderung der Baugruppen durch den Berliner Senat liegt für Holm in dem Interesse, eine wohlhabende Mittelschicht in den Stadtteilen zu etablieren. Die Diskussion soll fortgesetzt werden. Eine größere Veranstaltung auch mit Mitgliedern der Baugruppen ist in Planung. Dann wird sich vielleicht auch die Perspektive für den Linienhof geklärt haben.

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