Kinderbett hinter Gittern

Besondere Hafträume für Mütter im Pankower Frauengefängnis

  • Jutta Schütz, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Baby mit dem dunklen Haar schlummert friedlich neben seinem kleinen blauen Stoffdelfin. Doch das Bettchen steht in einem Raum mit vergitterten Fenstern. Im Berliner Frauengefängnis Pankow sitzt die vietnamesische Mutter des zwei Monate alten Mädchens eine Strafe von einem Jahr wegen Diebstahls ab. »Ist gut für Kind hier«, sagte die 26-Jährige in gebrochenem Deutsch. Sie bekam ihr Baby während der Haft. Mutter und Kind haben eine geräumige Zelle für sich, nebenan ein Bad mit Babywanne. In drei von vier Standorten des Frauengefängnisses in der Hauptstadt gibt es Hafträume für Mütter und ihre Kleinkinder – so neben Pankow noch in Reinickendorf und Neukölln.

Erst vor kurzem waren Vorwürfe laut geworden, dass weibliche Gefangene unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Haft litten, gefesselt entbinden müssten, mit Handschellen zum Arzt gebracht würden. »Gefesselt zur Entbindung ins Krankenhaus?«, die 28-jährige Daniela schüttelt den Kopf. »Ich würde sowieso nicht flüchten – denn sonst hätt ich wohl noch mehr Probleme.« Auch sie brachte ihr Kind in der Haft zur Welt – in einem Krankenhaus. Ihr Einzelzimmer dort wurde bewacht. »Wenn ich gestillt habe, sind die Männer aber schon rausgegangen.« Nach ein paar Tagen wurde sie mit ihrem kleinen Sohn zurück in die Anstalt mit 72 Haftplätzen gebracht.

Die Berlinerin landete hier wegen permanenten Schwarzfahrens – irgendwann hatten sich 2500 Euro Bußgeld aufgehäuft, die sie nicht zahlen konnte. »Es ist schön, dass ich mich hier mit meinem Kind beschäftigen kann«, sagt die junge Frau ohne Berufsabschluss leise. »Draußen« habe sie jede Menge Sorgen.

In dem sanierten Pankower Gefängnis in der Arkonastraße, in dem auch die frühere RAF-Terroristin Verena Becker vorübergehend in U-Haft saß, wirkt der Mutter-Kind-Bereich beinahe idyllisch. In dem mehr als 100 Jahre alten Gefängnis sind heute neben Strafgefangenen auch weibliche Untersuchungshäftlinge untergebracht. Rund 30 Justizbeamte kümmern sich um die Frauen. Das Personal sei knapp, so dass oft nicht genug Zeit für Gespräche bleibe.

Für die Kinder und ihre Mütter gibt es auch ein extra Spielzimmer. An die frische Luft kommen die Babys im grünen Innenhof bei Spaziergängen. Babysachen, Windeln, Creme und Brei bezahlt das Jugendamt als Hilfe zur Erziehung.

»Wir versuchen, die Lebensumstände der Mütter hier so normal wie möglich hinzubekommen«, sagt Daniela Leschhorn, Bereichsleiterin und Sozialarbeiterin. Die beiden Mütter-Haftplätze sind nicht verriegelt, die Frauen können sich tagsüber auch besuchen. Nur die Station ist abgeschlossen. Eine Hebamme sieht nach dem Rechten, die Gefangenen haben jeweils eine Familienhelferin, die regelmäßig kommt und das Kind auch zum Arzt bringt. Spätestens, wenn der Nachwuchs ein Jahr alt ist, müsse aber eine Bleibe außerhalb des Gefängnisses gefunden werden, sagt die erfahrene Beamtin. Manchmal ist die Mütter-Station auch monatelang leer.

Die 50-jährige Leschhorn erzählt, schwangere Gefangene wünschten sich auch, dass eine Beamtin bei der Entbindung dabei ist – »um die Hand zu halten«. Etliche Mütter kämen aus schwierigen Verhältnissen. Doch ohne Bewachung gehe es meist nicht: »Man kann einfach nicht ausschließen, dass jemand entbindet und dann abhaut, weil es keine emotionale Bindung zu dem Kind gibt. Selbstverständlichkeiten von draußen funktionieren hier nicht immer.« Das Gefängnis in Pankow sei »schon eine Extremwelt mit besonderen Belastungen«.

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