Kontrast der Stile

Mit seiner traditionellen Gala eröffnet das Staatsballett die neue Saison

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Beinah hätte das Orchester der Deutschen Oper Berlin der Gala ihren Glanz genommen: Gemeinsam mit den Kollegen der beiden anderen Häuser verzögerte sich der Beginn warnstreikend um eine halbe Stunde. Ein Buh-Konzert, trotz Verständnisses für den Kampf um einen Tarifabschluss, empfing die Musiker.

Die traditionelle Gala des Staatsballetts Berlin zum Auftakt der Saison ging dann doch funkelnd und mit hohem Applauspegel über die Bühne. Pro verkaufter Karte flossen zehn Euro der Dell’Era-Gedächtnis-Stiftung zu. Berlins Königliche Hoftänzerin für drei Dezennien verfügte ihr nachgelassenes Vermögen zugunsten in Not geratener Tänzerinnen. Damit auch Tänzer nach der Karriere unterstützt werden können, wurde eine Zustiftung gegründet, der die 9000 Euro Benefizeinnahmen nun zugehen.

Zwei Ensemble-Choreografien gaben dem Abend einen festlichen Rahmen. Aus dem 2. Akt seiner »Cinderella« steuerte Vladimir Malakhov seinen großen Walzer bei: ein freundliches Tableau in Diagonalaufstellung und mit Staffelbild als Schluss, für die Gruppe ein repräsentabler Einstieg. Dass Clark Tippets »Bruch Violin Concerto No 1«, hier mit Tomasz Tomaszewski als starkem Solisten, bei der Berlin-Premiere unrechtens wenig Beachtung geschenkt wurde, lag wohl am Kontext der anderen Stücke. Das Gala-Format ließ der neoklassischen Kreation mit viel Freude am modernen Einsprengsel entschieden mehr Entfaltungsfreiheit. Die vier Solopaare, kostümfarblich unterschieden, gaben den drei zeitlos kunstfertigen Sätzen, mit dem Adagio als Zentrum, ihre besondere Temperatur. Im Finalteil wusste sich Demi-Solistin Stephanie Greenwald neben Marian Walter zu behaupten.

Das »Carmen«-Motiv umspielt Eric Gauthiers Uraufführung für Elisa Carrillo Cabrera und Mikhail Kaniskin. Ihre »Showtime« beginnt lässig als Aufwärmen und gerät dann zu Bizet's rassigen Klängen aus den Fugen: Wider die Regel ersticht sie ihn, wird kurz vor seinem Tod ebenfalls gemeuchelt. Ein fulminantes Duo auf halber Spitze für zwei feurige Virtuosen. Bewährt in vielen Vorstellungen hat sich aus Maurice Béjarts »Ring um den Ring« das 15-Minuten-Duett von Siegfried und Brünnhilde: selbst ohne den »Mantel« des Stücks ist Nadja Saidakovas, Michael Banzhafs Interpretation ein Erlebnis. Vier Choreografien waren erstmals in Berlin zu erleben. Am »Tanz der Fresken« aus dem zu mehreren Partituren kursierenden Märchenballett »Das bucklige Pferdchen« besticht die Individualität der Variationen. Sebnem Gülseker, Anastasia Kurkova, Sarah Mestrovic, Krasina Pavlova bewältigten sie mit Charme stilsicher. Wie Iana Salenko, Rainer Krenstetter und Dinu Tamaslacaru auf den Leib komponiert erwies sich das Trio aus »Die Puppenfee«, »Coppelias« einziger namhafter Nachfolgerin: Die Rivalität zweier Harlekine um eine Ballerina in Elena Kunikovas Einstudierung ließ die Tänzer zu technischer Brillanz bei sichtlicher Spielfreude auffahren. Ein Gruß aus verflossener Zeit. Im Grand Pas de deux aus »Le Corsaire«, Paradestück fast aller Wettbewerbe, glänzten makelfrei Polina Semionova und Bruder Dmitry, Beatrice Knop und Wieslaw Dudek tanzten in Renato Zanellas Mahler-»Adagietto« etwas irritiert dem Licht-Tod entgegen. Vladimir Malakhov überzeugte in Mauro de Candias moderner Studie des »Sterbenden Schwans«.

»Schwanensee« leitet demnächst in den Spielzeit-Alltag über, mit »La Péri« bezieht das Staatsballett ab 24.10. sein neues Domizil im Schiller Theater, kreiert mit »Oz -The Wonderful Wizard« eine Jugendproduktion für die Komische Oper, kehrt mit »Esmeralda«, »Schneewittchen«, dem »Nussknacker« dann in der Bismarckstraße ein.

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