Falsche Unterschrift und die Folgen

42-jähriger ALG-II-Empfänger wegen versuchten Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 2 Min.

»In der Strafsache gegen Dirk P. die Prozessbeteiligten bitte in den Saal 3115«. Es erscheinen ein paar Interessierte, eine Zeugin vom Amt und Pressevertreter. Es fehlt die Hauptperson, der 42-jährige Angeklagte. 15 Minuten Zeit gibt die Richterin dem Beschuldigten, erscheint er dann immer noch nicht, wird sie ein Urteil verkünden.

Dirk P. ist des versuchten Betruges und der Urkundenfälschung angeklagt. Der Mann ist nach Anklageschrift Hartz-IV-Empfänger. Um seinen Satz weiterhin ungekürzt in Empfang nehmen zu können, soll er ein wenig geschummelt haben. Und er löste damit eine juristische Lawine aus.

Es begann damit, dass er bei einer sogenannten »Eingliederungsmaßnahme« des Jobcenters Spandau nicht erschien. Über Sinn oder Unsinn dieser Maßnahme konnte das Gericht nichts in Erfahrung bringen. Die Vertreterin der Arbeitsbörse, die vor Gericht erschienen war, durfte nicht aussagen, da der Angeklagte fehlte. Somit blieb diese Frage ungeklärt.

Das Verfahren nahm seinen bürokratischen Gang. Auf die Verweigerung der Maßnahme folgte die Kürzung des Arbeitslosengeldes. Für drei Monate sollte Dirk P. insgesamt 315 Euro zurückzahlen. Dagegen legte er Widerspruch ein, der vom Amt abgewiesen wurde. Nun war das Sozialgericht an der Reihe, das nun entscheiden sollte, ob die Kürzung rechtens sei. Klagen vor dem Sozialgericht sind kostenfrei, für P. durchaus ein lohnenswerter Versuch. Immerhin haben gut die Hälfte der Klagen vor dem Sozialgericht Erfolg oder Teilerfolg. In diesem Falle verlangten die Sozialrichter von P. Unterlagen, warum er an der Maßnahme nicht teilnehmen konnte. Dieser legte ein Schreiben eines Berliner Autohauses vor, wonach er in besagter Zeit ein Praktikum absolviert habe. Das Gericht ist zur Überprüfung der Angaben verpflichtet. Es stellte sich heraus, dass das Papier gefälscht war und er überhaupt nicht bei der Autofirma gearbeitet hat – also Betrug.

Damit wurde der Fall eine Angelegenheit für den Staatsanwalt. Die Ermittlungen ergaben, dass P. die Unterschrift gefälscht hat. Das Gericht erließ einen Strafbefehl über 120 Tagessätze zu je 20 Euro. Dagegen legte P. Widerspruch ein. Somit wurde gestern verhandelt – ohne den Angeklagten, der unentschuldigt fehlte.

Im Namen des Volkes wurde von der Amtsrichterin der Einspruch gegen den Strafbefehl kostenpflichtig verworfen. Das heißt: Dirk P. hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, er muss die 315 Euro an das Jobcenter zurückzahlen und schließlich die Strafe von 120 Tagessätzen zu 20 Euro blechen. Gegen diese Entscheidung kann der Arbeitslose P. natürlich wieder Rechtsmittel einlegen. So sagt es das Gesetz. Der eigentlich Geschädigte ist der Steuerzahler, der dafür aufkommen muss.

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