Mit langem Atem schützen katholische und evangelische Gemeinden Flüchtlinge vor Abschiebung: Die Asylbewerber werden »herumgereicht« und bleiben so im Schutz der Kirchen.
Nach mehr als vier Jahren Wanderkirchenasyl erhalten die letzten »Illegalen« der Aachener Gruppe ein dauerhaftes Bleiberecht. Dabei handelt es sich um eine zehnköpfige Familie, die seit 1991 in Deutschland lebt.
Begonnen hatte das nordrhein-westfälische Wanderkirchenasyl im Januar 1998, als sich von der Abschiebung bedrohte kurdische Familien in eine Kölner Kirche flüchteten. Insgesamt 489 Kurden versuchten, sich auf diese Art einer Abschiebung in die Türkei zu entziehen. Rund drei Viertel davon konnten legalisiert werden. Sechs Asylsuchende wurden allerdings in die Türkei abgeschoben, einige dort inhaftiert und gefoltert. Die türkische Regierung legt die Teilnahme am Wanderkirchenasyl als PKK-Nähe aus.
Sie fühle sich »wie neu geboren«, sagt Fatma Kus. Nach erneuter Prüfung ihrer Asylgründe erhielt die traumatisierte 39-Jährige nach elf Jahren in Deutschland eine Duldung für sich, ihren Gatten Tefik und die acht Kinder im Alter zwischen neun und 23 Jahren. Alle leben seit Herbst 1998 in einer kleinen Wohnung über einem katholischen Pfarrheim in Herzogenrath bei Aachen. Trotz des illegalen Status waren regelmäßige Schulbesuche der Kinder in der Grenzgemeinde möglich, so Andrea Genten, Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Aachen. Der Kreis Aachen und die Stadt Herzogenrath hätten sich solidarisch verhalten und ein Amtshilfebegehren der zuständigen Behörden aus Kleve einfach ignoriert.
Nachdem die Familie Kus in der Osttürkei verwundeten Freischärlern geholfen hatte, wurde der heute 46-jährige Tefik von türkischen Militärs gefoltert. Bei einem Überfall von Soldaten auf den Rest der Familie verlor die schwangere Fatma ihr Kind. Seitdem ist sie schwer traumatisiert. Die Familie floh nach Deutschland, doch die Asylanträge wurden abgelehnt. Im März 1998 sollte Familie Kus abgeschoben werden. Um dies zu verhindern schloss sie sich dem Wanderkirchenasyl an. Hierbei wechseln die Flüchtlinge zwischen verschiedenen evangelischen und katholischen Kirchengemeinden. Wegen der Kinder bezog die Familie aber ein Dauerquartier.
Das Wanderkirchenasyl begann im Vorfeld einer geplanten Reise des damaligen NRW-Innenministers Franz-Josef Kniola. Er sollte sich ein Bild von der Menschenrechtslage in der Türkei verschaffen. Flüchtlingsinitiativen hofften, dies würde zu einem Abschiebestopp in die Türkei führen. Die Reise fiel aus, das Wanderkirchenasyl aber etablierte sich.
Nach einigen Auseinandersetzungen erreichten die Unterstützer des Wanderkirchenasyls Anfang 2001 die Wiederaufnahme der Anerkennungsverfahren durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg. Bereits 1999 erhielt die Initiative den Aachener Friedenspreis.
Heute leben noch etwa 50 Teilnehmer des Wanderkirchenasyls in völliger Rechtlosigkeit in NRW. Kosten für Lebensmittel, Kleidung, Miete, ärztliche Versorgung, Operationen und Anwälte tragen Kirchengemeinden oder Unterstützerkreise wie »Kein Mensch ist illegal«. Zur Versorgung der 38 Flüchtlinge der Aachener Gruppe - darunter 20 Kinder - sind rund 120000 Euro privater Spendengelder geflossen.