Nicht alle Briten sind Engländer

Land der Schafe und Burgen ist reich an Geschichte und Atmosphäre

  • Peter Krämer
  • Lesedauer: 4 Min.
Mae mwy na pedwar cant o gestyll yng Nghymru, tair miliwn o bobol, a deuddeg miliwn o ddefaid.« Das ist ist keine Geheimsprache, sondern walisisch und heißt übersetzt: Es gibt über 400 Burgen im Land, drei Millionen Einwohner und zwölf Millionen Schafe. Damit leben in dem kleinen Land nicht nur mehr Schafe als Menschen. In Wales stehen auch die meisten Burgen Europas.
Kein Wunder, dass die Waliser so stolz sind. Auf sich, ihre Tradition und ihre Geschichte. Für sie sind alle Bewohner Großbritanniens zwar Briten, aber keinesfalls sind alle Engländer. Und obwohl Wales ein kleines Land ist, - in Bezug auf Größe und Bevölkerung etwa vergleichbar mit Sachsen-Anhalt - haben sich die Waliser ihre eigene Identität und Sprache bewahrt. So herrscht denn auch offiziell Zweisprachigkeit. Das heißt, Straßen- und Ortsschilder sowie Behördenformulare sind auf walisisch bzw. englisch abgefasst.

1288: Castle in fünf Jahren
Historisch ist Wales seit 1284 mit England verbunden, offiziell wird es seit 1535 von Westminster regiert. Nordwales war viele Jahre lang Schauplatz grausamer Auseinandersetzungen zwischen walisischen Prinzen und anglo-normannischen Königen. Nicht zuletzt widerspiegeln die zahlreichen Burgen sowohl den einheimischen Widerstand als auch die Stärke der Eroberer.
Zwei berühmte und noch heute gut erhaltene Burgen legen davon Zeugnis ab. Da ist zuerst einmal Conwy Castle, das 1288 nach nur fünf Jahren Bauzeit fertig gestellt wurde. Conwy selbst ist eine der schönsten Städte Wales mit einer herrlichen Altstadt und der nahezu unversehrten 1,2 Kilometer langen Stadtmauer mit 21 halbrunden Türmen und vier Stadttoren. Die Burg mit dem Fluss und den Bergen von Snowdonia dahinter ist ein beliebtes Fotomotiv für die Touristen. In Conwy steht übrigens auch das kleinste Haus Großbritanniens. Es ist 3 m lang, 1,83 m breit und 2,54 m hoch und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von einem 192 cm großen Fischer bewohnt.
Ein anderer Publikumsmagnet ist Caernarfon Castle, die wohl berühmteste Burg des Landes. Denn nachdem Edward I. im Jahre 1272 den englischen Thron bestiegen hatte, begann er mit der Eroberung von Wales. 1282 tötete er im Kampf Llywelyn II., den letzten walisischen Prince of Wales. Diese Niederlage degradierte Wales zur »first colony«, einer ersten Kolonie der Engländer, - lange bevor diese ihr weltumspannendes Empire aufbauten.
Edward hatte nichts eiligeres zu tun, als in Caernarfon an der Stelle eines alten normannischen Castles eine neue Festung zu errichten. Sie wird von den beiden Flüssen Seiont und Menai Strait umflossen. 1284 wurde hier sein Sohn und Thronfolger geboren. Zur Legalisierung seiner Macht ernannte Edward I. ihn 1301 als »Einheimischen« zum Fürsten von Wales (Prince of Wales). Der spätere Edward II. war somit der erste englische Prince of Wales.
Der Titel ist bis heute dem jeweils ältesten Sohn der britischen Monarchen vorbehalten. 1969 fand hier für Prinz Charles die letzte feierliche Einsetzungszeremonie zum Prinzen von Wales mit vielen geladenen königlichen Gästen statt. Die Throninsignien kann man in der Burganlage täglich von 9.30 bis 18 Uhr besichtigen.

Mauer als Weltdenkmal
Caernarfon weist heute noch 13 Türme und zwei Tore auf, die gut erhalten sind. 200 Jahre diente die Burg als königliche Garnison. 1403-1404 konnte ein walisischer Aufstand unter Owain Glyn Dwr niedergeschlagen werden. Es war zugleich das letzte Aufbegehren der Waliser gegen ihre englischen Unterdrücker. Damals lebten mehr Menschen als Schafe in Wales, heute ist es, wie gesagt, umgekehrt. 1987 erhielten die Burg und die Stadtmauer von der UNESCO den Titel Welt-Baudenkmal verliehen.
Noch eine weitere Sehenswürdigkeit bietet sich dem Besucher an. In der Nähe von Bangor befindet sich Penrhyn Castle. Allerdings entstand dieses Schloss erst im Jahre 1827. Der Schieferbaron Lord Penrhyn ließ es im neonormannischen Stil errichten. Vollkommen eingerichtet und für Touristen geöffnet, zeugt es vom eher schlechten Geschmack der damaligen reichen Leute. Allerdings kann man auch viele Schätze wie Möbel und Gemälde bewundern.
Wer noch etwas Besonderes sehen möchte, dem sei ein Besuch des Ortes mit dem längsten Namen der Welt auf der Insel Anglesey empfohlen: Llanfairpwllgwyngyllgogerychyrndrobwllllantysiliogogogoch. Was übersetzt so viel heißt wie: »Die Kirche St. Marie an der weißen Espe oberhalb der Stromschnellen und der Kirche des heiligen Tysilio bei der roten Grotte.« Die findigen Einwohner wollten auf diese Weise für alle Zeiten Touristen anlocken.


Information: Wales Tourist Board, Brunel House, 2 Fitzalan Road, Cardiff CF24 OUY, Tel: (44 (0)29) 20 49 99 09, fax: (44 (0)29) 20 48 50 31.

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