SPD-Mann hielt LINKEN auf Abstand

Jakobs gewann die Potsdamer Oberbürgermeisterwahl überraschend deutlich gegen Scharfenberg

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Wiederwahl des Sozialdemokraten Jann Jakobs zum Potsdamer Oberbürgermeister war nicht überraschend. Überraschend war, mit welcher Deutlichkeit er sich von Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg distanzierte. Als »Bestätigung seiner Politik« wertete Jakobs seine über 60 Prozent bei der Stichwahl am Sonntag. Herausforderer Scharfenberg kam auf 39 Prozent. Das Langzeitduell zwischen den beiden ist damit entschieden: Vor acht Jahren trennten sie ganze 122 Stimmen, diesmal waren es über 11 000. Geradezu gelangweilt lehnte Jakobs das Angebot des Linksfraktionschefs zu einer politischen Zusammenarbeit in der Stadtverordnetenversammlung ab. Dafür gebe es »keine Veranlassung«.

Scharfenberg hatte dafür geworben, angesichts »inhaltlicher Überschneidungen« die »Blockadepolitik« gegenüber den LINKEN im Stadtparlament zu beenden und das Verhältnis zwischen beiden Parteien zu »überdenken«. Mit Blick auf die Unterstützung, die ihm CDU, Grüne und FDP bei der Stichwahl gewährten, gab Jakobs jedoch kühl zu verstehen, er sehe »keinen Anlass, an den bisherigen Kooperationsbeziehungen etwas zu verändern«.

Scharfenberg bekannte am Montag, die Situation falsch eingeschätzt zu haben. Seine Kärrnerarbeit für die Stadt, sein beharrliches Erstreiten punktueller Erfolge gegen die von der SPD angeführte »Rathauskoalition« aller übrigen Parteien habe den Ausschlag nicht gegeben. Tatsächlich war der Herausforderer im Wahlkampf gezwungen, immer wieder auf die »gute Entwicklung« hinzuweisen, die Potsdam unter seinem politischen Gegner genommen habe. Die Unzufriedenheit in der Stadt hält sich offenbar in Grenzen. Ihm blieb daher nur das »es muss noch besser gehen« und das Nachkarten in einzelnen Punkten. Ein politisches Gegenangebot der LINKEN grundsätzlicher Natur gab es mit ihm nicht. Dieser Stil hatte keinen Erfolg, bekannte Scharfenberg gestern. Vielmehr habe die vom gegnerischen Lager aufgebaute »Machtdemonstration« die Wähler beeindruckt.

Damit spielte er auf die gradlinig durchgehaltenen Angriffe gegen seine Person an, die sich auf seine Vergangenheit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit bezogen. Weniger von den konkurrierenden Kandidaten, wenn auch durchaus in deren Interesse, als vielmehr von Teilen der Medien war diese Kampagne beharrlich vorgetragen worden. Er habe nicht damit gerechnet, dass dieses Thema einen solchen Stellenwert erhalten würde, bekannte Scharfenberg gestern.

Was in den Jahren nach der Wende nicht durchdrang, das hat diesmal verfangen. Sowohl im Falle des PDS-Kandidaten Rolf Kutzmutz als auch Scharfenbergs selbst haben seinerzeit Solidarisierungseffekte eingesetzt. Einstige IM eroberten Landtags- und Bundestagsmandate. Die Hoffnung bei den LINKEN, dass sich dieses Thema schlicht erübrigen würde, erwies sich nun jedoch als trügerisch. Weil die LINKE letztlich kein eigenes griffiges Wahlthema aufbieten konnte, verfing das Stasi-Thema. Die Stichwahl am Sonntag funktionierte als Abstimmung zur Verhinderung Scharfenbergs.

Während Jakobs meinte, das Thema sei am Ende nicht ausschlaggebend gewesen, sprach Scharfenberg von »qualitativen und quantitativen Veränderungen« in der Bevölkerungszusammensetzung der Stadt. Die Eingemeindung ländlicher Gebiete und der Zuzug vieler reicher oder jedenfalls nicht armer Westdeutscher habe nicht »automatisch das Wahlpotenzial der LINKEN erhöht«.

Zwar ging Scharfenberg davon aus, das Potenzial der Linkspartei mobilisiert zu haben. Doch ist nicht zu übersehen, dass in seinen traditionellen Hochburgen, den Plattenbausiedlungen, die Unterstützungslust gebremst war. Für Jakobs zeigte der Wahltag, dass diese Bastionen der LINKEN nicht mehr uneinnehmbar seien. Die Plattenbaugebiete seien in seiner bisherigen Ägide keineswegs vernachlässigt worden, unterstrich er. Und als deute sich da eine Korrektur an, setzte er hinzu, dies sei im Grunde »überproportional« geschehen. Kommentar Seite 4

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