Mediziner besorgt über nachlassende Wirksamkeit von Antibiotika

  • Corinna Lange
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Die Resistenz einer Vielzahl von bakteriellen Erregern gegen Antibiotika hat sich zu einem weltweiten Problem entwickelt. Entgegen allen Erwartungen, Infektionskrankheiten mit Hilfe von Antibiotika auf Dauer besiegen zu können, stellen sie nach wie vor eine globale gesundheitliche Bedrohung dar. Waren bisher vor allem Entwicklungsländer davon betroffen, so nehmen diese Erkrankungen derzeit auch in den Industrienationen wieder zu. Tuberkulose galt in den siebziger Jahren als nahezu ausgerottet; gegenwärtig häufen sich die Krankheitsfälle auch in unseren Breiten wieder, teilweise auf Grund der Resistenz des Tuberkelbazillus gegen Antibiotika. »Bakterien haben die Fähigkeit, sich den äußeren Bedingungen anzupassen und Resistenzen zu entwickeln. Das ist ein biologisches Phänomen«, so Professor Handrick, Facharzt für Mikrobiologie. Einer der häufigsten Abwehrmechanismen bakterieller Erreger ist die Inaktivierung des Antibiotikums. Durch die Mutation einzelner Enzyme kann die Wirksamkeit des Medikaments ebenfalls unterbunden werden. Das Bakterium vererbt sämtliche Formen der Resistenz an folgende Generationen weiter und ist zusätzlich in der Lage, Resistenzmechanismen mit Hilfe so genannter Plasmide auf andere Bakterien zu übertragen. Dadurch wird eine unkontrollierbare Ausbreitung der Resistenzen möglich. Intensiviert wird dieses Problem durch die oftmals unangebrachte Anwendung von Antibiotika, beispielsweise zur Bekämpfung harmloser Erkrankungen oder viraler Infekte, welche mit antibiotischen Substanzen überhaupt nicht therapiert werden können. Professor Rodloff vom Universitätsklinikum Leipzig begründet dies damit, dass Antibiotika oft vorbeugend verschrieben würden, um spätere Infektionen auszuschließen. Der Arzt reagiere häufig auf die Erwartungshaltung seiner Patienten. Professor Handrick sieht eine weitere Ursache für die falsche Anwendung der Medikamente in der mangelhaften Ausbildung der Ärzte. Infektionsmedizin sei in Deutschland kein integraler Bestandteil der universitären Lehre. Mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten und geringe Aussichten auf beruflichen Erfolg nachen diesen Bereich der Medizin unattraktiv. Die zunehmende Resistenz bakterieller Erreger gegen antibiotische Präparate wird auch als eine Folge des Einsatzes von Antibiotika in der Tiermast betrachtet. Während Professor Rodloff keine schlüssigen Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang der bakteriellen Resistenzentwicklung bei Tier und Mensch sieht, betont Professor Handrick, dass durch die zum Teil EU-weite Gesetzgebung seit Mitte der 90er Jahre eine Verbesserung der Situation erreicht worden sei. Heute ist die Verwendung von Antibiotika in der Tiermast größtenteils verboten. Als Zentrum der Resistenzentwicklung betrachten die beiden hier zitierten Mediziner allerdings die Krankenhäuser selbst. Dort infizieren sich zahlreiche Patienten zusätzlich mit bakteriellen Erregern, da ihr Immunsystem durch die eigentliche Krankheit bereits geschwächt ist. Die dadurch notwendig gewordene Gabe von Antibiotika verschärft das Problem der Resistenzentwicklung. »Eine wesentliche Rolle bei der Übertragung der Erreger spielt die mangelnde Hygiene«, so Professor Rodloff. Ein Umstand, der vor dem Hintergrund an Bedeutung gewinnt, dass in vielen Krankenhäusern die Hygiene- und Infektionsabteilungen geschlossen werden, weil sie sich als unwirtschaftlich erwiesen haben. »Es ist sehr kurzsichtig, die Gesundheit nur unter finanziellem Blickwinkel zu betrachten. Wir müssen morgen doppelt bezahlen, was wir heute verdienen«, betont Professor Handrick. Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Verbreitung resistenter Bakterienstämme ist die zunehmende Internationalität. Andere Länder, wie Frankreich oder Spanien, seien bereits deutlich stärker von Resistenzproblemen betroffen als Deutschland. Diese Situation könne sich allerdings in relativ kurzer Zeit ändern, sollten die entsprechenden Erreger zum Beispiel von Reisenden aus dem Ausland mitgebracht werden. Um dem entgegenzuwirken, sei die Information der Bevölkerung, aber auch der Mediziner selbst notwendig. »Die Resistenzlage muss die Krankenkassen und nicht zuletzt auch die Politiker interessieren. Schließlich geht es um die Volksgesundheit«, so Professor Rodloff. Doch die Ignoranz der deutschen Politiker sei besorgniserregend, findet Professor Handrick. Die Weltgesundheitsorganisation hat zu einer globalen Strategie geraten, um die Wirksa...

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