»Soziale Stadt« vor dem Aus

Nach drastischer Kürzung der Bundesgelder sind viele Projekte bedroht

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie beraten Migrantenfamilien, kümmern sich um die Sprachförderung und die Erziehung der Kinder: Hochgelobt und mehrfach ausgezeichnet, könnte die Arbeit der Stadtteilmütter jetzt in große Schwierigkeiten kommen. Denn der Bund hat die Fördermittel für die Städtebauförderung drastisch gekürzt. Besonders beim Programm »Soziale Stadt«, aus dem ein Großteil solcher Projekte in den sozialen »Brennpunkten« finanziert wird, wurde der Rotstift angesetzt.

Demnach werden laut Beschluss des Bundestags-Haushaltsausschusses vom Ende vergangener Woche die Mittel zur Städtebauförderung bundesweit um 155 Millionen auf 455 Millionen Euro reduziert. Berlin bekommt dadurch im nächsten Jahr statt 30 Millionen nur noch 22,5 Millionen Euro, was noch nicht so hart erscheint. Wirklich dramatisch fällt die Kürzung im Kernbereich »Soziale Stadt« aus, wo die Mittel um 72 Prozent gestrichen wurden, von 108 Millionen auf 28,5 Millionen. Statt fünf Millionen Euro erhält Berlin nur noch 1,4 Millionen Euro für die Arbeit vor allem in den 38 Quartiersmanagementgebieten.

Anne Wispler vom Arbeitskreis der Quartiersmanager befürchtet, dass dadurch über 1000 soziale Projekte in der Stadt bedroht sind, von der Jugendarbeit über Sprachförderung bis zu Theatergruppen an Schulen und eben den Stadtteilmüttern. Zumal die knapperen Mittel künftig vor allem für Bauvorhaben, etwa Spielplätze, ausgegeben werden sollen. »Nur bauen reicht aber nicht, wir müssen vor allem in die Menschen investieren.« Gerade angesichts der Integrationsdebatte sei die Kürzung völlig unverständlich, »eigentlich hätte das Programm aufgestockt werden müssen«, findet Wispler. Fatal sei zudem, dass ohne die Bundesgelder auch die Komplementärmittel vom Land nicht fließen. Wispler hofft jetzt, dass der Senat neue Wege zur Finanzierung findet.

Diese Chancen stehen allerdings nicht gut. »Wir rechnen gerade durch, wie wir es hinkriegen, dass möglichst wenig Projekte gefährdet werden«, sagt Mathias Gille, Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). »Die Lücke werden wir aber kaum ausgleichen können.« Bisher machten die Bundesmittel bei der Berliner Städtebauförderung etwa ein Drittel der Summe aus, zwei Drittel gab das Land hinzu. Berlin könne jetzt seinen Anteil nicht einfach aufstocken, das lasse das Haushaltsgesetz nicht zu, so Gille. Und ein Umschichten innerhalb der Förderprogramme hin zur »Sozialen Stadt« habe der Bund ausgeschlossen.

Junge-Reyer warf Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) »eklatantes Politikversagen« vor. Mit den Kürzungen sei das »essenzielle« Programm »Soziale Stadt« jetzt das kleinste innerhalb der Städtebauförderung. Stattdessen werde der Bereich »Kleinere Städte und Gemeinden« um 95 Prozent aufgestockt – ein Programm, das vor allem dem süddeutschen Raum, aus dem Ramsauer stammt, zugute komme, so Junge-Reyer.

Für Maren Kern, Vorstandsmitglied beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), gibt der Bundestag mit seiner Entscheidung »die Soziale Stadt zum Abschuss frei«. Auch die brandenburgischen Städte würden mit 900 000 Euro wesentlich weniger erhalten als bisher. Zudem seien infolge der Kürzungen auch beim Stadtumbau Ost allein bei den BBU-Mitgliedsunternehmen Investitionen in Höhe von 60 Millionen Euro gefährdet. Dabei gehe es insbesondere um Projekte der energetischen Sanierung.

Die Quartiersmanager sammeln jetzt Unterschriften gegen die Kürzungen für eine Petition an den Bundestag.

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