Ein einziges Tor nur ...

Danewerk – wie ein Rätsel der Archäologie gelöst werden konnte

  • Ronald Sprafke
  • Lesedauer: 3 Min.

»Una tantum porta« – bekannt seit zwölf Jahrhunderten, gesucht seit einem Jahrhundert, gefunden vor wenigen Wochen: »ein einziges Tor nur«, das in einer riesigen Verteidigungsanlage dereinst Skandinavien von Mitteleuropa trennte, aber auch verband. In den fränkischen Reichsannalen (Annales regni Francorum) ist für das Jahr 808 zu lesen, dass der dänische Wikingerkönig Godofridus (auch Godfred oder Göttrik) zur Sicherung der Südgrenze seines Reiches gegen die vordringenden Franken unter Karl dem Großen anordnete, quer über die jütländische Halbinsel einen Wall zu erbauen mit nur einem einzigen Tor, durch welches Wagen und Reiter hinaus und wieder hinein kommen könnten.

Frühere Ausgrabungen des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein offenbarten, dass bereits vor den Wikingern am sogenannten Danewerk gebaut worden war. Wahrscheinlich waren es Friesen, die bereits 680 einen Wall zum Schutz gegen Sachsen, Slawen und dänische Wikinger aufgeschüttet hatten. Zur Sicherung ihres Herrschaftsgebietes haben die Wikinger 737 eine zwei bis drei Meter hohe Befestigung aus Feldsteinen mit vorgelagertem Graben angelegt. Als nun Anfang des 9. Jahrhunderts Karl der Große bis an die westliche Ostsee vordrang, wurde der Wall weiter ausgebaut.

Aus den Quellen war bekannt, dass der »Ochsenweg« (oder »Heerweg«), die Hauptverkehrsverbindung zwischen Elbe (Hamburg) und dem dänischen Viborg, durch dieses eine Tor im Danewerk führte. Er verlief westlich der modernen A 7 und schnitt die Mauer in der heutigen Gemeinde Dannewerk. Doch das »Wieglesdor« (Weglaßtor) blieb lange unauffindbar. Erst als 2008 dort ein in Konkurs gegangenes Café abgerissen wurde, waren Ausgrabungen möglich. Die Feldsteinmauer war sehr gut erhalten. An einer Stelle war aber ein großes Loch erkennbar – Folge einer Zerstörung oder eine gewollte Unterbrechung?

Die Archäologin Astrid Tummuscheit hat das Rätsel gelöst. Sie legte zwei steinerne Torwangen frei, die auf einen sechs Meter breiten Durchlass deuten. Damit war klar: Hier befand sich »das einzige Tor nur« im Danewerk. Inzwischen wurden bei weiteren Untersuchungen große Pfostenlöcher aufgefunden. Hierin war das Tor verankert. Ungeklärt ist noch, wie lange es genutzt wurde. Eine Verstärkung des Danewerks erfolgte noch einmal 968 unter Harald I., genannt Harald Blauzahn. Als letztes entstand die Walde-marsmauer, eine Ziegelsteinmauer, auf der ein hölzerner Wehrgang lief. Dänenkönig Waldemar I. hatte sie um 1170 vor die Feldsteinmauer setzen lassen, wahrscheinlich eine Reaktion auf die Kämpfe mit dem Welfenherzog Heinrich des Löwen und den slawischen Lutizen. Aufgegeben wurde das »Una tantum porta« vermutlich bald nach 1200, als die weiter südlich gelegene Eider Grenzfluss zu Deutschland geworden war.

Das Danewerk hat auch eine Nachgeschichte in der Neuzeit: Im Krieg 1864 wurde es als schanzenbewehrte Verteidigungsanlage wiederbelebt, konnte jedoch die angreifenden Österreicher nicht aufhalten. 1944 gab es den Plan zum Ausbau zu einer Panzersperranlage, der aber nicht ausgeführt wurde.

Das Danewerk und die Wikingerstadt Haithabu sowie weitere Wikingerstätten in Island, Norwegen, Schweden, Dänemark und Lettland sollen UNESCO-Weltkulturerbe werden. Einen entsprechenden Antrag wollen diese Länder im Januar 2012 in Paris einreichen

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