Lieber Bäume als Menschen opfern

Streit um Ostanbindung des Flughafens Schönefeld vor Oberverwaltungsgericht

Etwas frische Luft sollte in den engen Saal. Doch als die Fenster geöffnet waren, fegte ein Windstoß eine Unmenge Papiere von den Tischen. Richter, Anwälte und ihre Mandanten mussten die Schriftstücke vom Boden auflesen. Doch das war längst nicht so kompliziert wie die Dinge, um die hier am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestritten wurde.

Die DB Netz – eine Tochterfirma der Deutschen Bahn – baut ein Gleis durch den Bohnsdorfer Wald, um den künftigen Großflughafen Schönefeld an die östlich gelegene Görlitzer Bahn anzubinden. Die Bauarbeiten sind in vollem Gange, Bäume bereits gefällt und etliche Schienen verlegt.

Bewohner von Berlin-Bohnsdorf fürchten den Lärm der durchrauschenden Züge und ärgern sich, weil sie nicht mehr wie gewohnt durch den Wald spazieren können, der schon zu Brandenburg gehört. Dabei gibt es eine Lösung: eine Anbindung an die Görlitzer Bahn weiter nördlich, über das Grünauer Kreuz. Das würde den Wald und die Bohnsdorfer schonen. Eisenbahner hätten bestätigt, dass dies die beste Variante wäre, erzählt Anwohnerin Christine Dorn. Aber leider komme der Vorschlag zu spät, habe es geheißen. Das dürfe doch nicht sein.

Der Berlin-Brandenburger Landesverband des Deutschen Bahnkundenverbandes (DBV) plädiert für die Anbindung über das Grünauer Kreuz. Die sei auch billiger, koste nur 71 statt 180 Millionen Euro. Der Verband versucht, seine Vorstellungen vor Gericht durchzusetzen. Doch er scheitert voraussichtlich schon daran, dass er sein Anliegen während des Planfeststellungsverfahrens nicht deutlich genug in einem Schreiben formulierte.

Deutlich genug tat das nur Hans-Joachim Bona. Der Vorsitzende des DBV-Regionalverbands Barnim gab seine ausreichende Einwendung einen Tag später bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ab, wo er selbst arbeitet. Doch weder Regional- noch Bundesverband sind zu Einsprüchen in Umweltfragen berechtigt. Über die notwendige Berechtigung verfügt nur der Landesverband.

Dass es den Ehrenamtlichen im Bahnkundenverband schwer fallen dürfte, korrekte Einwendungen abzugeben, »das weiß ich«, gestand der Vorsitzende Richter Jürgen Kipp, der viel Verständnis für die Bürger zeigte. Aber die Justiz finde ein strenges Regelwerk vor und könne es nicht ändern, auch wenn sich Richter den Vorwurf anhören müssten, »grauenhafte Formalisten« zu sein.

Doch damit nicht genug. Kipp äußerte Zweifel, ob die Route über das Grünauer Kreuz wirklich die bessere wäre. Dann würden die Züge durch dicht besiedeltes Gebiet fahren, auch die Transporte mit dem hochexplosiven Flugzeugsprit Kerosin. Wenn da etwas passieren würde! Kipp sprach von einem »Schreckensszenario«. Dann doch wohl lieber ein paar Bäume im Bohnsdorfer Wald opfern.

Die juristische Niederlage des Bahnkundenverbands zeichnete sich deutlich ab. Bis Redaktionsschluss lag kein Urteil vor. Es war ohnehin als Möglichkeit ins Auge gefasst, das Urteil erst heute zu verkünden – gemeinsam mit den Entscheidungen zu zwei weiteren Verfahren zur Ostanbindung des Flughafens. Heute wird nämlich eine Klage der DB Netz verhandelt, die bei Kilometer 16,4 der Görlitzer Bahn nicht den vom Eisenbahnbundesamt verlangten Bahnübergang bauen möchte.

Noch am Dienstag beschäftigte sich das Oberverwaltungsgericht mit einer Klage der Gemeinde Eichwalde. Sie leidet unter dem Lärm, den auf der Görlitzer Bahn durchfahrende Züge verursachen. Wegen des zusätzlichen Verkehrs durch die Ostanbindung des Flughafens wünscht Eichwalde eine Schallschutzwand. Doch die DB Netz will eine solche nicht finanzieren. Ein Anspruch bestehe nur bei Neubaustrecken. Vom Gleis im Bohnsdorfer Wald liege der Ort aber zu weit entfernt. Dass die Bürger jetzt schon mehr Krach aushalten müssen als eigentlich zulässig, spielt keine Rolle. Eine Chance hätte es gegeben, wenn der frühere Bürgermeister Ekkehard Schulz (LINKE) – als er Einspruch erhob – darauf hingewiesen hätte, dass die »verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze« überschritten sei. Dass er davon keine Ahnung hatte, könne man ihm nicht ankreiden, räumte der Richter ein. Höchstens, dass er nicht gleich einen Fachanwalt konsultiert habe.

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