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Warnkes Zettel

Die Geschichte der DDR-Urlauberschiffe

  • Anita Bär
  • Lesedauer: 2 Min.

Wie passen Kreuzfahrtschiffe mit ihrer Aura des Luxus zu einem Land, in dem die Menschen froh waren, nach über zehn Jahren Wartezeit einen dürftig ausgestatteten Kleinwagen namens Trabant kaufen zu können? Wie passen Weltmeere befahrende Luxusliner zu »Grenzregime« und »Mangelwirtschaft«? Dies wollte Andreas Stirn erkunden. Er begab sich in die Archive und sprach mit Zeitzeugen, zu denen auch der eigene Vater gehörte, der mit der »Fritz Heckert« 1966 nach Leningrad reiste.

Es begann mit einem unscheinbaren Notizzettel, informiert Stirn. Herbert Warnke, Chef des FDGB und Kandidat des Politbüros der SED, hatte im Herbst 1953 einige Ideen zum Bau eines Urlauberschiffes der Gewerkschaft zu Papier gebracht: 2-3000 Tonnen, Name »Aktivist«, 14-Tagefahrten in der Ostsee, mit einem Landgang in Leningrad, Besuch der »Aurora« ...

»Aktivist« hieß dann zwar kein Kreuzfahrtschiff der DDR. Und die Verwirklichung der unmittelbar nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni geborenen Idee ließ noch fünf Jahre auf sich warten. Auf dem V. Parteitag der SED 1958, der die neue »ökonomische Hauptaufgabe« beschloss, verkündete Werner Bülow, Parteisekretär der Mathias-Thesen-Werft, »bis 1961 zusätzlich zum Produktionsplan durch die Masseninitiative der Werktätigen unserer ganzen Republik ein Hochseepassagierschiff, ein Urlauberschiff für den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund auf unserer Werft in Wismar zu bauen«.

Es sollten dann ihrer drei sein: neben der bereits genannten »Fritz Heckert« die »Völkerfreundschaft« und die »Arkona«. Umfassend berichtet Stirn über deren Bau bzw. Ankauf, über die Zusammensetzung der Besatzungen und Passagiere, über Reiserouten, das Treiben an Bord, Fluchtversuche und Amtsmissbrauch. Ein faktenreicher Band, nicht nur für maritim Interessierte aufschlussreich. DDR-Geschichte im Mikrokosmos. Trotz wissenschaftlichen Anspruchs – so wird auch die Totalitarismustheorie diskutiert – ist dieses Buch unterhaltsam, in einem flüssigen, teils sogar poetischen Stil verfasst. Der abschließende Vergleich mit den KdF-Schiffen der Nazis sollte den Leser nicht verschrecken; der Autor ist auch hier nicht leichtfertig im Urteil.

Andreas Stirn: Traumschiffe des Sozialismus. Die Geschichte der DDR-Urlauberschiffe 1953-1990. Metropol. 814 S., geb., 29,90 €

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