Faster-Than-Light

Krippenspiel und Kaufgewühl

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie ist die Produktion mit der längsten Vorbereitungsphase, so liest man im Programmheft zur opulenten »WeihnachtsREHWÜ« der Faster-Than-Light-Dance-Company. Was die 24 Beteiligten, unter ihnen auch sechs Jungen, auf die Szene der Jugendkunstschule Atrium stellen, dicht an ihren umsitzenden Zuschauern, trifft den Ton der Zeit: der Vorweihnachtszeit. Volker Eisenach, Gründer, Leiter und Choreograf des Ensembles, hat seit 1992 rund 1000 Jugendlichen zwischen 15 und 25 bewiesen, dass jeder tanzen kann, wenn er / sie sich denn nur traut. Die international besetzte Mannschaft beleuchtet in ihrem Weihnachts-Großprojekt 90 pausenlose Minuten lang das Fest in vielen seinen Facetten.

Dazu erstrahlt gleich zu Beginn die Studiobühne im Glanz bunter Lämpchengirlanden. Auch musikalisch geht es bunt zu, vor allem mit dem, was Amerikas swingender Christmas-Kitsch so auf Lager hält. Eisenach nimmt das zum Anlass für einen ungemein heiteren Bilderbogen aus gut 20 Tänzen und szenischen Gestaltungen rund um die hehren Tage.

Warm verpackt ziehen die Tänzer auf, ehe sie ihre Mäntel und Stiefel ablegen, zu den unvermeidlichen »Jingle Bells« Geschenke in die Schuhe gesteckt bekommen, naschen, sich gegenseitig etwas weghaschen – und mit Magendrücken zu Boden gehen. Dem amüsanten Auftakt folgt ein besinnlicher Teil: Ohne die roten Glitzerhemden formieren sich zu Sopran und Harfe die Mädchen zur »Blume« um die sitzenden Jungen, finden sich Gruppen in Umarmung. Mit so einfachen wie effektvollen tänzerischen Formen erzielt der Choreograf anrührende Aussagen zum Fest der Liebe. Das »Winter Wonderland« bietet auch sportliche Anreize: Einer zeigt todesmutig Skispringen; die Eiskunstläufer in der Bande aus Tänzerkörpern wundern sich, wie im »richtigen« Leben, über merkwürdige Wertungen.

»Morgen, Kinder, wird’s was geben« weiß nicht nur Wencke Myrhe: Gewienert und gestritten wird, die Tage des Kalenders tanzen, die Edelfichte strahlt. Zum Sinatra-Song finden und verlieren sich zwei Paare, dem Einsamen hängt jemand einen Mantel um. Kaum mehr bewältigbare Geschenkpakete machen ihren Käufern den Transport schwer, unverdrossen galoppieren fünf Rentiere mit Lamettagirlanden, tragen den Weihnachtsmann ab, die Heilsarmee sammelt, falsch singend und flötend, Geld.

Der witzigste Beitrag ist Choreograf Eisenach zur Weihnachtsbotschaft in Harry Belafontes balsamischer Interpretation gelungen. Josef und Maria ziehen ein, werden angefeindet; ein Pappschaf rollt, die Krippe mit Stern umtanzen vier weiße Engel; ein Handwerker reicht die Kinderpuppe. Als das Volk und die drei Weisen sie in der Krippe besichtigen, blendet sie von dort gleißendes Licht. Die Bundeskanzlerin hält die passende Ansprache, unterbrochen von Werbung: für »Macbeth« als nächstes FTL-Vorhaben. In Weihnachtsmänteln strippen die Jungs um Angela und leiten eine Polonaise ein. Nochmals wird’s romantisch vor der großen Schneeballschlacht. Swing, Walzer, Cancan zum befreiten Endlos-Finale, jede Menge gute Laune im Saal. Anjeli Puni und der spielfreudige Tsun Yin Wong sind nur zwei der vielen jungen Tänzer, die durch die »WeihnachtsREHWÜ« sicher neue Freunde gewonnen haben.

Bis 11.12., Atrium, Senftenberger Ring, 97, Reinickendorf, Kartentelefon 50 91 44 48

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