Die dominante Muse

Kerstin Decker entwirft ein bestechendes Porträt der Lou Andreas-Salomé

Im Frühjahr 1892 traf man sich in Rom. Zu dritt standen sie im Petersdom, die beiden Männer und die schmale, hochgewachsene junge Frau, zwei Philosophen und die Generalstochter aus St. Petersburg. Der eine, Paul Rée, war eben erst bei dem selbstbewussten Wesen mit einem Heiratsantrag abgeblitzt, der andere, Friedrich Nietzsche, dessen jüngerer Freund, gesundheitlich schon lange nicht mehr auf dem Posten, hatte sich, lüstern nach »dieser Gattung von Seelen«, extra auf den Weg gemacht, denn Rées Entzücken über diese weibliche Erscheinung hatte seine Neugier geweckt, und außerdem war ihm mitgeteilt worden, dass die Russin begierig sei, ihn kennenzulernen.

Lou Andreas-Salomé, in jenem April 21 Jahre alt, wird sich später vor allem an die Augen des 37-jährigen mittelgroßen, noch immer ziemlich erfolglosen Autors erinnern, an das auffällige Blinzeln, die flackernden Blicke des Kurzsichtigen. Sie konnte natürlich nicht ahnen, dass Nietzsche, ...


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