Veränderung ist doch das Salz des Vergnügens

Der große deutsche Schauspieler Hilmar Thate über Brecht, herrschende Moral und vier Milliarden Jahre

Hilmar Thate, geboren 1931. Sein breites Lachen hat malmende Kraft. Die Stimme betörend dunkel; im Schmettern fliegen die Töne kieselhart. Seine gedrungene Wucht verströmt noch immer proletarische Grazie, kämpferische Romantik. Seine Darstellung war gern Angriff, so unerwartet leicht und doch so vorbedacht. Analytischer Ehrgeiz begegnete einer urwüchsigen Natur. Ein Bruder Baals, aber einer, der uns oft genug zeigte, dass auch Zügelung, Gefasstheit und also just jene Spannungen, die unaufgelöst bleiben, eine große Sinnlichkeit haben. Seine Art setzt spielend hinter jede Regung ein Komma, fürs große oder kleine »Aber!«

Hilmar Thate, mit welcher Gemütsverfassung bedenken Sie derzeit Ihren Beruf?
Dreißig Jahre jünger, und ich wäre wahrscheinlich ein unglücklicher Mensch. Mein Alter schützt mich.

Wovor?
Vielleicht mitmachen zu müssen, was ich nie mitmachen wollte. Dieses Beliebigkeitselend. Viele Schauspieler, aufgereiht an der Rampe, spielen nichts weiter als Einsamkeit. Das ist eine Folge des Neoliberalismus, der alles zerstückelt. Jeder Spieler hat ein Fragezeichen überm Bauch, und gestellt wird auch nur eine Bauchfrage – die aber keineswegs abendfüllend ist: Wer bin ich?

Die Grundfrage.
Ja, aber doch bitte schön in Beziehung zur Welt, zu deren Gefährlichkeit, zu deren Lügen, zu deren sozialen Verwerfungen, zu deren öder Kapitalisierung, zu deren Kriegen. Kunst und Medien: Da wird vieles auf interessant getrimmt – in Wahrheit ist alles bedeutungslos. Wo man auch hinhört: Jede natürliche Stimmlage wird überprustet. Und keine einzige Utopie...



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