Universitäten wiesen Bewerber ab

Zahl der Studienanfänger um fünf Prozent gesunken / Auswahl per Numerus Clausus und kürzere Einschreibfristen

  • Michael Sagorny
  • Lesedauer: 3 Min.

Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden zu den Studierenden in Deutschland geben Anlass zur Freude – aber auch zu Befürchtungen. Noch nie gab es bundesweit so viele Studienanfänger wie 2010: 442 600 neue Studenten bevölkern die Hörsäle, vier Prozent mehr als im Vorjahr. Doch für das Land Brandenburg sind die Nachrichten aus Wiesbaden schlecht: entgegen dem Trend wird hier ein Rückgang der Erstsemester um fünf Prozent verzeichnet.

Doch wie kommt es zu diesen Zahlen? Sind die neuen und gut ausgestatteten Universitäten in Brandenburg plötzlich unattraktiv geworden? Meidet der Brandenburger akademische Nachwuchs die Heimat? Oder ist – wie im Statistischen Bundesamt vermutet – ein dramatischer Geburtenrückgang in den ostdeutschen Bundesländern Anfang der 90er Jahre schuld? Die aktuellen Zahlen der Erstsemester an den brandenburgischen Universitäten: 2010 haben sich an der Universität Potsdam 3195 Studenten gegenüber 3104 im Jahr zuvor eingeschrieben, also ein Zuwachs von 91. Das entspricht fast dem Bundesdurchschnitt von plus vier Prozent. Anders sieht es in der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) aus: Hier haben 2009 noch 2188 Studenten ihre Ausbildung begonnen, 2010 waren es nur 1731. Es ist also ein sattes Minus von 20 Prozent zu verzeichnen.

Der Vizepräsident der BTU, Professor Matthias Koziol, erklärt die Veränderung: »In den letzten Jahren haben wir einen enormen Zuwachs an Studenten erfahren. Für die besonders begehrten Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen, Betriebswirtschaftslehre sowie Kultur und Technik gilt seit diesem Jahr der Numerus Clausus (NC), eine Zulassungsbeschränkung für das jeweilige Studienfach, die sich maßgeblich an der Abiturnote orientiert. Nur so können wir eine hohe Qualität der Lehre gewährleisten. Die BTU ist personell und räumlich dem Ansturm der Studienbewerber einfach nicht mehr gewachsen.« Die Technische Universität bietet viele Fächer an, die dem oft zitierten Fachkräftemangel entgegenwirken. Wegen der guten Berufsperspektive hat sich die Zahl der Studienanfänger seit 2007 nahezu verdoppelt.

Aber die finanziellen Mittel der BTU sind nicht im gleichen Maße gestiegen. Trotz der Freude über die wachsende Popularität der Bildungsstätte muss die Universitätsleitung nun dagegenhalten. »Durch die Einführung des NC können wir uns jetzt unsere Studenten aussuchen, auch wenn es mir für die nicht Angenommenen leid tut,« resümiert Matthias Koziol. An der BTU wurden 2010 durch die Einführung des NC in den erwähnten Fächern knapp 1000 Bewerber abgelehnt.

Ähnliches gibt es von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zu berichten. Waren es im Jahr 2009 noch 1281 Neueinsteiger, so haben im vergangenen Jahr 1161 Studenten dort begonnen. Die Gründe für die rückläufigen Zahlen sind die gleichen wie in Cottbus: In einem Studiengang (Master of European Studies) wurde der NC eingeführt. 2009 haben 300 Studenten den eigentlich mit 60 Plätzen geplanten Studiengang belegt. Und bei Jura wurden die Einschreibfristen verkürzt, um dem Andrang Herr zu werden. Hier ist die Europa-Universität für 300 Studenten ausgelegt, 500 haben jetzt das Studium des Rechts in Frankfurt aufgenommen. Durch die neuen Begrenzungen wurden 300 Bewerber in der Oderstadt abgelehnt.

Insofern versteckt sich hinter den nackten Zahlen des Statistischen Bundesamtes eine Brandenburger Erfolgsgeschichte. Zwar gibt es tatsächlich fünf Prozent weniger akademische Neueinsteiger in der Mark, aber nur, weil die Zahl der Studierenden in den letzten Jahren so rasant gestiegen war. Und so verkehrt sich das Erfolgsmodell der Brandenburger Universitäten in der Statistik zu einem Negativbild. Zwar stimmen die absoluten Zahlen. Sie vermitteln aber ein falsches Bild von der Situation.

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