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Stadtkewitz sucht rechten Schulterschluss

Die in Berlin gegründete Freiheitspartei reiht sich international in eine extremistische anti-djihadistische Phalanx ein

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Den Wahlkampfauftakt seiner Freiheitspartei in Berlin hat sich René Stadtkewitz sicher anders vorgestellt. Nach zwei Raum-Absagen blieb dem ehemaligen CDU-Politiker am frühen Dienstagabend mit seiner neuen islamfeindlichen Partei nur die Straße vor der GLS Sprachschule in Prenzlauer Berg, um gegenüber der Presse eine Erklärung abzugeben. Angesichts von gellenden Pfiffen, dröhnender Musik und »Nazis Raus!«-Rufen von Dutzenden linken Gegendemonstranten fiel selbst das nicht leicht. Stadtkewitz wetterte noch kurz gegen »faschistische Methoden« und trat dann unter Polizeischutz den Rückzug mit seinen Getreuen aus Prenzlauer Berg an.

Gestern veröffentlichte Stadtkewitz nun einen »Offenen Brief an die politische Linke«, in dem er den angemeldeten Protest vom Bündnis »Rechtspopulismus stoppen« mit der SA der Nationalsozialisten gleichsetzt. »Ihre Klamotten sind nun schwarz statt braun, aber sie benutzen dieselben Methoden«, heißt es in dem wirren Schreiben.

Wann und wie der Landesparteitag der Freiheit nachgeholt wird, ist noch nicht bekannt. Die große Resonanz in den Medien dürfte Stadtkewitz und seinen Anhängern aber in jedem Fall gefallen haben. Schließlich war es seit der Parteigründung im November ruhiger um das islamfeindliche Parteiprojekt an der Schnittstelle zwischen CDU und extremer Rechten geworden. Bis jüngst das Hamburger Nachrichtenmagazin »Spiegel« den 46-Jährigen Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses auf sieben Seiten zum »deutschen Geert« adelte. Unkritisch wird in der rechten »Homestory« erzählt, wie Stadtkewitz derzeit als Frontmann und Bundesvorsitzender der Freiheit durch Deutschland tourt, um Gleichgesinnte um sich zu scharen. 1200 Mitglieder hat die Partei nach Eigenangabe inzwischen.

»Nach der Veranstaltung mit dem Niederländer Geert Wilders in Berlin läuft es für Stadtkewitz und die Freiheit sehr erfolgreich«, bestätigt allerdings auch Mathias Wörsching vom Berliner Verein für demokratische Kultur (VdK), der Kommunalpolitiker berät. Es gebe eine Reihe neuer Landesorganisationen, berichtet Wörsching. Auf Berliner Ebene bilden sich parallel dazu Bezirksverbände. Der Vorteil, den Stadtkewitz gegenüber etwa der rechtspopulistischen Konkurrenz von Pro Deutschland besitzt, ist, dass es schwerer fällt, ihn in die »rechte Ecke« zu stellen, meint Wörsching. Er hat beobachtet, dass »die Freiheit versucht, eine strikte Grenze zu Rechtsextremen zu ziehen«. Hinzu kommt, dass sich Stadtkewitz und Mitstreiter darum bemühen, nicht nur als Ein-Punkt-Antiislam-Partei rüberzukommen, sondern auch Politikfelder wie beispielsweise den Ruf nach direkter Demokratie abzudecken.

Wie genau das Programm der Freiheit aussehen wird, ist unklar. Das »Grundsatzprogramm« wird zur Zeit noch unter den Mitgliedern diskutiert und befindet sich erst im Stadium »1.0«. Für das Freiheits-Gründungsmitglied Aaron Koenig etwa ist es bis jetzt zu »sozialdemokratisch« und zu wenig liberal. Bei anderen Mitgliedern ist der plakative »pro-israelische«-Kurs umstritten. Ansonsten findet sich in dem Text allerdings das gesamte Potpourri einer rechtspopulistischen Partei westeuropäischen Typs: Neben dem Antiislamismus also autoritäre Law-and-Order-Forderungen und platter Anti-Establishment-Populismus gegen die »politische Klasse«. Dass sich daneben aber auch eine Reihe neoliberaler Vorstellungen wiederfinden, scheint zunächst widersprüchlich, kennt man aber bereits von der österreichischen FPÖ zu Jörg Haiders Zeiten.

Indes René Stadtkewitz richtet seine Partei nicht nur inhaltlich nach den anderen Vorbildern aus, sondern er sucht auch den direkten rechten Schulterschluss: Gemeinsam mit FPÖ und flämischen »Vlaams Belang« (VB) verkündete Stadtkewitz beispielsweise unlängst in Israel die »Jerusalemer Erklärung« gegen die angebliche neue »weltweite totalitäre Bedrohung des fundamentalistischen Islam«. Pikant: Als Mitunterzeichner sind auch die »Schwedendemokraten« (SD) dabei, deren Wurzeln in der neonazistischen Szene des Landes liegen – und von deren Funktionären nach Recherchen schwedischer Medien nicht wenige bis in die heutige Zeit Kontakte in die extreme Rechte pflegen.

Überhaupt scheint die Abgrenzung gegenüber »Extremisten« durch die Freiheitspartei und René Stadtkewitz zumindest auf internationaler Ebene nur taktischer Natur zu sein. »Im internationalen Anti-Djihad-Netzwerk trifft sich Stadtkewitz mit Leuten, die Kontakte bis in die Nazi-Ecke haben«, berichtet auch Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv (apabiz), der die islamfeindliche Szene seit Jahren beobachtet. Zu diesem Spektrum würden ehemalige Mitglieder der Britischen National Party (BNP) ebenso zählen wie gewaltbereite Hooligans. Fester Bestandteil dieses kuriosen Spektrums ist deutscherseits auch die »Bürgerbewegung Pax Europa«, deren Berliner Landesvorsitzender ist: René Stadtkewitz, Mitglied des Abgeordnetenhauses zu Berlin.

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