Leseprobe

Sonderhäftling Dschugaschwili

  • Lesedauer: 2 Min.

Südöstlich von Witebsk, bei Ljosno in Weißrussland, fiel der Wehrmacht kurz nach Beginn des Russlandfeldzugs am 16. Juli 1941 neben anderen Offizieren des 14. Haubitzenregiments der 14. sowjetischen Panzerdivision auch Oberleutnant Jakob Dschugaschwili in die Hände. Die Bedeutung dieses Kriegesgefangenen wurde schnell klar: Es handelte sich um den ältesten Sohn des sowjetischen Diktators Josef Stalin aus dessen Ehe mit Jekaterina Swanidse ...

In den nationalsozialistischen Zeitungen erhielt der Sohn des sowjetischen Diktators breiten Raum. So veröffentlichte der »Völkische Beobachter« ein Foto des 34-jährigen Oberleutnants, schilderte die Umstände seiner Gefangenennahme und behauptete, er habe »unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Verwandtschaft zum Bolschewistenhäuptling ... die Unsinnigkeit des Widerstands besonders als Grund für seine Waffenstreckung öffentlich hervorgehoben« ...

Am 14. April 1943 starb Stalins Sohn unter Umständen, die nie völlig aufgeklärt wurden. Eine RSHA-Kommission verhörte die Mitgefangenen im »Sonderlager A« (des KZ Sachsenhausen) ... Mit der Untersuchung der Todesumstände beauftragte das RSHA Reichskriminaldirektor Kurt Amend. In einem Brief an das Landeskriminalamt Wiesbaden schrieb er später: »... Der Körper wies sowohl eine Schussverletzung am Kopf wie auch Strommarken, mindestens an einer Hand, auf.« Der SS-Arzt äußerte, der Tod könne bereits durch den Strom eingetreten sein, ehe der Schuss des Wachpostens getroffen habe.« Dschugaschwilis Leiche blieb über Nacht am Zaun liegen ...

Am 19. Januar 1970 stellte die Staatsanwaltschaft München das Ermittlungsverfahren gegen den Schützen Konrad Harfich mit der Begründung ein, dem Beschuldigten sei allenfalls ein versuchtes Tötungsdelikt nachzuweisen.

Aus Volker Koop »In Hitlers Hand. Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS« (Böhlau, 295 S., geb., 24,90 €).

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal