Wer war »Deep Throat«?

Vor 30 Jahren begann in Washington der Watergate-Skandal

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Genau vor 30 Jahre begann in den USA ein Skandal, in dessen Verlauf sich das politische System vor den Augen einer schockierten Öffentlichkeit in seiner ganzen Nacktheit offenbarte: »Watergate«.

Am 17. Juni 1972 wurden mehrere Einbrecher beim Versuch festgenommen, in das Hauptquartier der Demokratischen Partei im Washingtoner »Watergate«-Hotel einzudringen. »Watergate« als Synonym für Korruption, finstere politische Machenschaften und die Verfilzung von Interessen geht freilich weiter zurück, auf den Vietnam-Krieg zum Beispiel. Der Einbruch in das Bürogebäude, in dem sich die Demokraten auf die nächsten Präsidentschaftswahlen vorbereiteten, war der Anfang vom Ende der 37. Präsidentschaft. Richard Nixon, seit 1969 im Weißen Haus, trat vier Jahre später zwar seine zweite Amtszeit an. Doch als sich zeigte, dass er höchstpersönlich an der Vertuschung des »Watergate«-Skandals mitgewirkt hatte, trat er am 9. August 1974 als erster USA-Präsident zurück. »Watergate« ist nicht nur ein wichtiges Stück amerikanischer Geschichte. Daraus hat sich auch ein ganz eigener Geschäftszweig entwickelt: Die Suche nach der »conspiracy«, nach der Verschwörung und ihrer Enthüllung. Schließlich war es die Zeitung »Washington Post«, in der von 1972 bis 1974 das Neueste über »Watergate« zu lesen war. Der Grund: der investigative Journalist Bob Woodward, der mit seinem Kollegen Carl Bernstein auf die »Watergate«-Story angesetzt war, hatte eine einzigartige Quelle namens »Deep Throat«. Dieser Regierungsinsider versorgte den Reporter konspirativ mit Informationshäppchen, die das Lügengebäude Nixons ins Wanken brachten. »Follow the money« (Folge dem Geld) lautete der Ratschlag der Quelle, deren Identität bis heute zu einem der bestgehüteten Geheimnisse in Washington gehört. Wer »Deep Throat« tatsächlich war und ist, wissen bis heute nur vier Menschen: er selbst, die beiden Journalisten sowie der damalige Chefredakteur der Zeitung. Stillschweigen und Quellenschutz lautete ihre Devise. Preisgegeben wurde bisher nur, dass es sich um eine männliche Person handelt, die noch am Leben ist. Damals war sie, so Woodward, ein schwerer Raucher sowie Anhänger von »Scotch«-Whiskey. Vielleicht wird heute das Rätsel gelöst. Denn wie zu hören ist, soll die Identität des legendären »Deep Throat« - den Namen erhielt der Kronzeuge nach dem Titel eines damals populären Pornofilms - am 30. Jahrestag in aller Öffentlichkeit enthüllt werden. Dies kündigte jedenfalls John Dean an, einer der damaligen Berater Nixons. Der Autor, der »Enthüllungen« aus der Amtszeit Nixons zu seinem Lebenswerk gemacht hat, will seine Erkenntnisse im Internetmagazin www.salon.com als elektronisches Buch ausbreiten. Es könnte sich um hochrangige CIA- oder FBI-Beamte oder sogar um Henry Kissinger handeln, wird spekuliert. Wahrscheinlich aber entpuppt sich das von John Dean angekündigte E-Buch als PR-Rummel. Denn schon oft ist die Enthüllung angekündigt worden. Höchste Zeit wäre es jedenfalls. Vielleicht bekäme die USA-Öffentlichkeit dann ja Lust, mehr in der Vergangenheit zu stöbern und Rückschlüsse auf die Gegenwart zu ziehen. Nixons Popularität sank beim »Watergate«-Skandal dramatisch ab. Sechs, sieben Jahre nach seinem Rücktritt war das Vertrauen in die Präsidenschaft wieder hergestellt - dank Ronald Reagan, der sich als gerissener »großer K...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.