»Ich weiß, es war eine ganz miese Sache«

58-jähriger Dauerbetrüger legte es auf alte Leute an und stahl zwischen acht und 700 Euro

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Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen

»Ich weiß, dass das ne ganz miese Sache ist.« Recht hat er, der kleine, etwas dickliche Helmut, es war eine ganz miese Sache. Helmut, der geborene Dresdener, bereitet sich langsam auf seinen 59. Geburtstag vor. Den wird er, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, sehr wahrscheinlich wieder im Knast zubringen. Wie schon viele Geburtstage zuvor. Für ihn kann es ganz schlimm kommen. Denn der Staatsanwalt beendete seine Anklage mit den Worten: »Er ist für die Allgemeinheit gefährlich.« Das bedeutet: Obwohl er kein Mörder oder Sexualverbrecher ist, kann gegen ihn auch eine Sicherungsverwahrung verhängt werden. Insgesamt 20 Taten zählt die Staatsanwaltschaft auf, bei denen er Rentnerinnen zwischen 80 und 90 Jahren bestohlen hat.

Mit einem Trick verschaffte sich Helmut Einlass bei den alten Leuten. Er gab sich als Mitarbeiter des Roten Kreuzes, des Pflegedienstes oder der Arbeiterwohlfahrt aus, verlangte Unterlagen oder Bescheinigungen.

Noch ehe die Alten nachfragen konnten, stand er in ihrer Wohnung. Mal heimlich, mal ganz direkt suchte er das Mobiliar nach Geldverstecken ab, mal fand er 700, manchmal auch nur acht Euro. Die Seniorinnen hatten Angst und ließen den Eindringling gewähren. Mitunter soll Helmut seine Opfer recht unsanft zur Seite gestoßen haben. Das jedoch weist er am ersten Verhandlungstag strikt von sich. »Gewalt gab es bei mir nicht, ich hasse Gewalt. Keine Gewalt, das war mein Grundprinzip.« Nur, dass zwei 89-Jährige beim Besuch des vermeintlichen Sozialarbeiters stürzten und ins Krankenhaus mussten. Dazu gibt es ärztliche Gutachten und Fotos.

Für das spätere Urteil und für die Frage der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit wird das von entscheidender Bedeutung sein. Hat er »nur« die Schränke oder die Geldbörsen durchsucht und den Inhalt mitgehen lassen, dann ist es Diebstahl. Hat er die Seniorinnen beiseite geschubst, dann hat er Gewalt eingesetzt und ist somit des Raubes schuldig. Das wird deutlich schwerer bestraft.

Helmut ist ein klassischer Wendeverlierer. Mit dem Ende der DDR verlor er seinen Buchhalter-Job. Der Mobilitätsruf lockte ihn nach Hamburg, wo er vergeblich sein Glück suchte. Somit wurden Betrügereien zur Hauptbeschäftigung. Am 11. September 2009 wurde er in Hamburg aus dem Gefängnis entlassen, am 12. September beging er in Berlin seinen ersten Geld-Klau. Nichts anderes wollte er, nur Geld. Die Pensionen am Tierpark und am Frankfurter Tor waren billig, doch bezahlen musste er. An den Tatorten ließ er immer etwas zurück: Spuren. Nach der fünften Anzeige wussten die Berliner Ermittler, wer hinter den Gaunereien steckt.

»Wie haben Sie sich Ihre Opfer ausgesucht?«, wollte die Richterin wissen. »Gar nicht«, antwortete Helmut, »ich kenne ja Berlin überhaupt nicht. Ich könnte auch gar nicht sagen, wo die Leute wohnen.« Alles funktionierte nach dem Zufallsprinzip. Er klingelte an mehreren Türen. Öffneten Jüngere oder kräftig gebaute Mieter, dann ließ er sich eine Ausrede einfallen und zog zum nächsten Haus. Nur wenn er das Gefühl hatte, die Alten würden keine Komplikationen machen, dann drückte er sich rein. Immer hat er damit gerechnet, erwischt zu werden.

»Doch was sollte ich machen, ohne Geld kann ich doch nicht leben.« Auf die Idee, sich an ein Sozialamt zu wenden, kam er nicht. Er hatte keine Wohnung, keine Freunde, keine zweite Chance. So vergriff sich Helmut am Eigentum alter Menschen. Eine ganz miese Sache.

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