Binnenhochwasser in Kaulsdorf

Grundpegelanstieg im Südosten sorgt für Missmut unter den Eigenheimbesitzern

  • Klaus Teßmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch der Habermannsee steigt bedenklich.
Auch der Habermannsee steigt bedenklich.

Es ist ein Déjà-vu-Erlebnis der schlimmen Art. In zwei Siedlungsgebieten steht den Einwohnern das Grundwasser wieder buchstäblich bis zum Hals: Genau wie vor 15 Jahren. Denn sowohl in Kaulsdorf in Marzahn-Hellersdorf als auch im Blumenviertel in Neukölln steigt das Grundwasser wieder an – bis zu 30 Zentimetern steht es in den Kellern.

Die betroffenen Gebiete liegen beide im Einzugsbereich eines Wasserwerkes. Dort gab es vor 100 Jahren nur feuchte Wiesen oder Sümpfe. Erst als die Wasserwerke in Kaulsdorf und in Johannisthal das Grundwasser aus der Tiefe pumpten, begann sich der Grundwasserspiegel zu senken. Die Wiesenflächen wurden zu Bauland. Für viele Berliner wurde der Traum vom Häuschen im Grünen Realität.

Doch bedingt durch den stetig sinkenden Wasserverbrauch der Berliner, vor allem nach der Wende, wird auch nicht mehr so viel Wasser gefördert. In Kaulsdorf beispielsweise wird heute nur noch ein Zehntel der Menge gefördert wie vor 20 Jahren.

Hinzu kommt, dass seit einem Jahr der Grundwasserspiegel in ganz Berlin wieder steigt. Wie Umweltsenatorin Katrin Lompscher (LINKE) mitteilte, »sind die Grundwasserstände im Bereich der Kaulsdorfer Seen seit Beginn des Jahres um etwa 20 Zentimeter gestiegen«. Obwohl sich die Einwohner seit Wochen beschweren, erhalten sie keine Hilfe. Denn die beiden zuständigen Stadträte Thomas Blesing (Neukölln, SPD) und Norbert Lüdtke (Marzahn-Hellersdorf, LINKE) weisen alle Verantwortung der Bauämter für die Situation von sich. »Verantwortlich ist immer der Bauherr«, betont Norbert Lüdtke. »Er muss sich informieren und dementsprechend bauen.«

Beide Behördenleiter verweisen zudem auf das Verursacherprinzip: Es gibt für die steigenden Grundwasser keinen Verantwortlichen, den ein Gericht belangen könnte.

Das sehen die Anwohner in Kaulsdorf allerdings anders. Mehrere Betroffene äußerten sich auf einer Anwohnerversammlung vergangene Woche sehr kritisch über die Informationen aus dem Bauamt. »Die Ämter nehmen Einfluss auf die Farbe der Ziegel, die Form der Fenster und den Abstand zur Straße, nur auf die Tiefe des Kellers achten sie nicht«, schimpft ein Mann. Einige ältere Bewohner in Kaulsdorf forderten ähnliche Bestimmungen, wie sie schon im Baugesetz der DDR verankert waren. Damals war genau vorgeschrieben, wie hoch der Keller über einem möglichen Grundwasserstand liegen muss. So eine Vorschrift gibt es heute im Land Berlin nicht mehr.

Die Lage verschärfend kommt hinzu, dass vor 15 Jahren für viel Geld Grundwasserregulierungsanlagen in den betroffenen Gebieten gebaut wurden. Sie sollen die Pegel auf einem niedrigen, ungefährlichen Niveau halten. Doch die Verträge für beide Anlagen sind 2010 ausgelaufen. Auf Initiative der Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle (LINKE), wurde zwar der Vertrag für die Pumpenanlage am Kaulsdorfer See bis 2018 verlängert, der Vertrag für die Rudower Anlage jedoch nicht. Dass das Grundwasser extrem steigt, hängt auch mit dem Ausfallen der Kaulsdorfer Wasserpumpe zusammen. Sie war während der extremen Kälteperiode geplatzt. Eine Reparatur vor Ort war nicht möglich, wie Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erklärte. Außerdem wäre eine Reparatur teurer als eine Neuanschaffung gewesen.

Die neue Pumpe lässt allerdings auf sich warten: Mit sechs bis acht Wochen wird die Lieferzeit veranschlagt. Bis dahin soll laut dem CDU-Abgeordnete Mario Czaja ab dieser Woche »eine Notpumpe« Abhilfe schaffen. Wenn alles gut geht, versteht sich.

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