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Zweites Leben für alte Schätze

  • Gudrun Janicke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Zuhause von Bernhard Müller in Schönwalde-Glien (Havelland) ist ein Spiegelbild seiner Leidenschaft. Die Wände sind außen und innen mit alten Ofenkacheln verziert, Stuckelemente schmücken Decken und Wände, hier und da tauchen Fliesen auf. Müller bewahrt alte Bauteile aus Berliner Häusern auf – bis ein Käufer sich vom Reiz des Alten verzaubern lässt und es anderswo neu zur Geltung kommt.

Mehr als 1800 Zimmer-, Wohnungs- oder Haustüren hat Müller bereits zusammengetragen. Dazu kommen hunderte Fenster. Seine Schmuckstücke sind Kachelöfen – teils verschwenderisch dekoriert und sehr farbenfroh, teils schlicht funktional. Sie sind Jahrzehnte, einige auch mehr als 100 Jahre alt. »Bis zuletzt haben sie irgendwo in Berlin ein Wohnzimmer geheizt«, erzählt Müller.

»Mitte der 80er Jahre stolperte ich fast über einen Schutthaufen am Straßenrand«, erinnert sich Müller an den Beginn seiner Sammelleidenschaft. Der aus Baden-Württemberg stammende junge Mann studierte im damaligen Westberlin Psychologie. In dem vermeintlichen Abfall, der zur Abfuhr bereit stand, fand er eine Holztür: Noch gut erhalten und nach seiner Erinnerung zu schade für den Schredder. Der Grundstein für seine Passion war gelegt.

Der Westberliner Sanierungsboom jener Jahre bescherte Müller Aufträge. »Bevor die Bauarbeiten beginnen konnten, musste für besenreine Räume gesorgt werden.« Neue Fenster, Türen und Heizungen wurden eingebaut, während deren Vorgängermodelle rausflogen. Der 55-Jährige, der seit zehn Jahren in Brandenburg lebt, sicherte alte Kachelöfen, baute Türen aus und nahm Fenster mit.

»Der Abriss eines Ofens ist körperlich schwere Arbeit«, berichtet Müller, der sich beruflich nur noch mit alten Bauteilen beschäftigt. Etwa eine Tonne Material seien dann die Treppen herunterzutragen: Schamottesteine, Ofenkacheln, metallene Türen, Feuerroste und Schornsteinrohre.

Seit einigen Jahren wächst wieder das Interesse an alten Bauteilen. »Bei der Sanierung von Altbauwohnungen wird heute Wert darauf gelegt, auch das eine oder andere alte Element als Schmuckstück wieder einzubauen«, sagt Müller. Handwerker, Architekten und Bauherren werden bei ihm fündig. Sie müssen aber mit den Orginal-Funden vorlieb nehmen, die Aufarbeitung des Holzes bleibt ihnen überlassen.

Müller hat in Schönwalde etwa 20 alte Öfen aufgebaut. Rund 100 weitere Kachelöfen sind in Kästen verpackt. Obendrein verfügt er über hunderte einzelne Kacheln – aus Veltener Produktion oder aus dem Raum Meißen in Sachsen.

Auch heute findet Müller in manchem Abrisshaus den einen oder anderen kleinen Schatz. Ist es eine Tür, etwa mit eingelassenem geschliffenen Glas noch aus der Zeit der Jahrhundertwende, freut er sich. »Die hat dann nicht nur den Krieg überstanden, sondern möglicherweise den einen oder anderen Ehestreit.«

Fenster- und Türgriffe, Scharniere oder Zargen komplettieren Müllers Sammlung und lassen das Herz jedes Bauherren mit Faible für die Vergangenheit höher schlagen. Die kleinen Messingteile – ihre feinen Formen, die mechanische Funktionsweise und auch die Handwerkskunst – begeistern ihn. »Ein antikes Möbelstück kann mich nicht so aus der Reserve locken.«

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