Weniger Gewalt, mehr Überwachung

Die BVG informiert in ihrer Leitstelle über Sicherheitskonzepte nach den brutalen U-Bahn-Überfällen

  • Sonja Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.
Den U-Bahnhof im Blick: Verkehrsmeister Hartmut Lange in der BVG-Leitstelle
Den U-Bahnhof im Blick: Verkehrsmeister Hartmut Lange in der BVG-Leitstelle

Die Chance, bei einer in der U-Bahn begangenen Straftat erwischt zu werden »liegt bei fast 100 Prozent«, sagte BVG-Chefin Sigrid Nikutta . Sie lud gestern in die Leitstelle der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ein, um über die Sicherheitspolitik zu informieren.

Sicherheitsexperten sind sich einig, dass Kameras Gewalt nicht verhindern. Anders sieht es bei der Strafverfolgung aus. Die Männer, die jüngst am Bahnhof Lichtenberg einen Mann ins Koma prügelten, konnten aufgrund der Kameraufnahmen festgenommen werden. Die brutalen Übergriffe hätten »zu intensiven Diskussionen geführt«, sagt Nikutta. Die müsse man nun mit der Politik fortführen.

Momentan dominiere ein Gefühl »irgendwie wird alles schlimmer« die Diskussion um Sicherheit im Nahverkehr, sagt Nikutta. Einen Anstieg von Gewaltdelikten könne man indes nicht verzeichnen. 15 Angriffe unter Fahrgästen gibt es im Monat – bei einem Fahrgastaufkommen von rund 42 Millionen kein hoher Quotient. Im Netz sind 600 BVG-Mitarbeiter unterwegs, um für Sicherheit zu sorgen. Zusätzlich gibt es 1150 Kameras. Die meisten Busse sind mit Kameras ausgerüstet und 31 Prozent der Bahnen. Die Bilder laufen in der Leitstelle zusammen. Drei bis fünf Mitarbeiter bekommen dort die Aufzeichnungen per Zufallsprinzip auf die Monitore. Zu Sondereinsätzen ist ein Arbeitsplatz von der Polizei belegt, ein weiterer durch einen Mitarbeiter des Fremddienstleisters Securitas. Aktiviert nun jemand eine Notrufsäule, schaltet eine Kamera die Bilder in die Zentrale. 55 000 solcher Notrufe gingen im letzte Jahr ein, fast 90 Prozent davon Fehlalarme. Wegen der Zufallsschaltung werden Straftaten selten live gesehen, Aufzeichnungen werden nachträglich gesichtet. »Nur wenn Verdachtsmomente bestehen«, überprüfe man die Aufnahmen, erläutert Nikutta. 24 Stunden habe man dafür Zeit – dann werden die Mitschnitte gelöscht. Im Bundesbereich gilt eine Speicherdauer von 48 Stunden. Initiativen für eine längere Speicherung seien bisher am Berliner Datenschutzgesetz gescheitert. »Diese Zeitgrenze ist für uns nicht nachvollziehbar«, sagt Nikutta.

Pro Quartal fragt die Polizei bis zu 900 Videodaten an. »Unsere Daten werden aktiv zur Verbrechensaufklärung genutzt«, freut sich Nikutta. Über die Zahl derer, die aufgrund der Aufnahmen dingfest gemacht werden können, gibt es hingegen keine Erhebung.

Für die nächsten Jahre sei eine Erweiterung und Erneuerung der Kamerabestände geplant. Zusätzliches Personal dagegen nicht. »Wir sind am Ende dessen, was wir machen können«, sagt BVG-Personalchef Lothar Zweiniger. Am Modellbahnhof Kottbusser Tor, der auf Zoom- und Schwenkkameras umgerüstet worden sei, sehe man trotzdem erste Erfolge. Dort geht die BVG von einem Rückgang der Drogendelikte aus. »Es hat sich verlagert«, sagt Zweiniger.

Natürlich müssten alle Möglichkeiten diskutiert werden die Sicherheitsstandards zu erhöhen. »Es handelt sich aber um ein gesellschaftliches Problem – singuläre Maßnahmen im Nahverkehr sind nicht ausreichend.«

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