»Da gehts ums Geldverdienen«

In vielen Videotheken können Minderjährige indizierte Streifen ausleihen

  • Ekkehard Jänicke
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

In Nordrhein-Westfalen untersuchten Verbraucherschützer den Jugendschutz in Videotheken. Die meisten Unternehmen setzen die Vorschriften nicht um. Sozialpädagogen wollen neben Verboten aber auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit indizierten Filmen.

Ob »Fight Club« oder »Halloween«: Viele Action-, Horror- oder Sexfilme sind für Kinder und Jugendliche tabu. Frühzeitiger Gewaltkonsum soll verhindert werden. Wie ernst es Videotheken mit dieser Vorgabe nehmen, überprüfte »Verbraucher Aktuell« in 20 Läden. Dort versuchten die 13-jährige Tania und der 16-jährige Markus, ausgestattet mit den Videotheks-Ausweisen von Volljährigen, Streifen auszuleihen, die das Gesetz ihnen vorenthält. Dabei trafen sie auf zwei Arten von Läden: Vier Videotheken hatten einen speziellen Erwachsenenbereich, in dem Pornos und Filme aufbewahrt werden, die auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften stehen. Hier dürfen sich Kids nur im Standardangebot umschauen. Nicht einmal Blinzeln hinter den schwarzen Vorhang ist erlaubt. 16 Verleiher wiederum verzichteten auf die Sonderabteilung für die harten Hiebe- und Liebe-Schinken. Die Folge: Sie dürften Kinder und Jugendliche eigentlich überhaupt nicht ins Geschäft lassen. Soweit die Theorie. Die Wirklichkeit sah anders aus: So konnte sich die 13-jährige Tania ungehemmt in 14 der 16 Läden ohne speziellen Sex- und Gewaltbereich informieren. In zwei der vier Videotheken mit abgetrenntem Erwachsenenbereich konnte die Schülerin zudem in der Tabuzone stöbern. Fast stets für voll genommen fühlte sich der 16-Jährige. In insgesamt 19 Verleihgeschäften durfte Markus ungestört in den indizierten Filmen kramen. Nur einmal blieb seine Neugier unbefriedigt. Direkt beim Eintreten hörte er den korrekten, wenn auch pädagogisch fragwürdigen Satz: »Raus, du hast hier nichts zu suchen!« Diese Videothek nahm als einzige in der Stichprobe den Jugendschutz ernst. Der laxe Umgang mit den Vorgaben wundert wenig: Die Kontrollen sind eher halbherzig. So testet das Kölner Ordnungsamt »etwa zwei Mal im Jahr, ob in den Videotheken, die für unter 18-Jährige zugänglich sind, die Trennung zwischen Erwachsenen- und Kinderteil gegeben ist«, wie dessen Leiter Robert Kilp sagt. Wer sich in der vorschriftsmäßig eingerichteten heißen Zone aufhält, lässt sich so nicht feststellen. Ähnlich verfahren die Ämter in Düsseldorf und Aachen. Inkriminierte Filme werden oft auch an Jugendliche herausgegeben. Dabei steht auf der Rückseite der Filmhüllen deutlich, für welches Alter ein Film freigegeben ist. Zuständig dafür ist laut Jugendschutzgesetz die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Tania jedoch bekam in drei Videotheken ohne Zaudern Erotik- und Action-Thriller in die Hand gedrückt, welche die FSK ab 16 Jahren freigegeben hat. »Curdled« zum Beispiel: »Das Blut am Schauplatz ist noch warm - und plötzlich spürt Gabriella ein schreckliches Verlangen.« Markus wiederum konnte in neun von 20 Fällen Material für Volljährige ergattern, obwohl er einen Mitgliedsausweis mit Frauennamen vorzeigte und »megahartes Zeug« wie »Fight Club«, »Blair Witch Project II« und »Blade« aussuchte. Manche dieser Filme sind cineastisch interessant, aber eben altersbeschränkt. Wegen der Fülle Gewalt verherrlichender Szenen schaffte es insbesondere »Blade« auf den Index der Bundesprüfstelle. »Da geht es ums Geldverdienen, nicht um den Jugendschutz«, sagt Friedhelm Güthoff, Landesgeschäftsführer des Kinderschutzbundes Nordrhein-Westfalen. Martin Bigalke, Sozialpädagoge und Medienexperte beim Langenhagener Verein für Sozialarbeit in Niedersachsen, kann die Erfahrungen aus dem benachbarten Bundesland nur bestätigen. »Oft schleppen Jugendliche stolz die gerade frisch ausgeliehenen Filme für Erwachsene wie Trophäen mit sich herum, auch in Jugendtreffs wie hier bei uns.« Ähnliches habe er bei seinen Besuchen in Mecklenburg-Vorpommern beobachten können. Wichtig sei es, sagt der Pädagoge, »mit den Kindern zu diskutieren und ihre Erfahrungen mit diesem Mist herauszukitzeln, damit sie selbst einsehen, was solche Filme an menschenfeindlicher Ideologie und häufig auch an offenem Rassism...

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