Neue Härten mit Neuer Musik

Das Festival MaerzMusik widmet sich in der zehnten Ausgabe der Verbindung von Ton und Bild

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
Gruppenbild mit Feuer: das Ensemble »Alarm will sound«
Gruppenbild mit Feuer: das Ensemble »Alarm will sound«

Zur zehnten Ausgabe gönnt sich die MaerzMusik mal etwas. »Es lag schon lange in der Luft, dass wir uns schwerpunktmäßig mit der Verbindung von Klang, Bild und Bewegung auseinandersetzen. Zum Jubiläum wollten wir darauf einen programmatischen Zugriff«, erklärt Matthias Osterwold, künstlerischer Leiter jenes Festivals für Neue Musik.

Dieser Ansatz schlägt sich zum einen im Programmbuch mit drei Essays zur Geschichte der technischen Vereinigung von Klang und Bild, zum Verhältnis von Film und Neuer Musik sowie zur Musikalisierung des digitalen Bildes nieder. In allererster Linie ist aber das Programm selbst mit über 100 Veranstaltungen – darunter elf Uraufführungen und zehn deutsche Erstaufführungen – eine große Spielwiese für die Verknüpfung von Bild, Klang und Bewegung.

Den Auftakt macht Rebecca Saunders' Komposition »Chroma XV« im historischen Café Moskau in der Karl-Marx-Allee. Saunders positioniert dort fünf Instrumentalgruppen, denen sie Klangmaterial von der Intensität und Reinheit von Farben zuwies, und mischt diese Klangfarben durch die räumlichen Beziehungen der Musikergruppen untereinander. Die Komposition wird zur Eröffnung (18.3., 20 Uhr) zwei Mal gespielt, um unterschiedliche Hörerlebnisse zu produzieren. Weil das Konzert bereits ausverkauft ist, wird um 21.30 Uhr ein zusätzlicher Durchlauf angeboten.

In »Licht – Zeiten« projiziert der Videokünstler Lillevan eine in Schwarz-Weiß-Strukturen umgesetzte metrische Adaption der gleichfalls der Linearität der Zeit entkommen wollenden Partitur des Komponisten Michael Wertmüller auf die Körper der Musiker. Die erscheinen so in Lichträumen, um dann wieder in die Schwärze der Nacht abzutauchen (25.3., 20 Uhr, Trafo).

Einen Tag später erfüllt mit dem japanischen Komponisten Ryoji Ikeda einer der Künstler, die am avanciertesten mit der Verbindung von digitalem Klang und digitalem Bild arbeiten, ebenfalls die Gewölbe des Trafo (22 Uhr). Einer Rekonstruktion eines sehr frühen Versuchs technischer Geräuscherzeugung widmet sich Luciano Chessa mit »Instrumentenpark« (20.3., 16.30 Uhr, Radialsystem). Der Komponist, Musiker und Musikhistoriker baute die Klangerzeuger des Futuristen Luigi Russolo nach. Mit ihnen werden Werke von Russolo selbst und seinem Zeitgenossen Paolo Buzzi, aber auch Kompositionen aktueller Berliner Szenegrößen wie Blixa Bargeld und Werner Durand aufgeführt.

Einen wesentlichen Programmpunkt stellt die Reihe »Neue Musik zu alten Filmen« dar. Stummfilmklassiker wie Fritz Langs »Metropolis« (19., 20.3., Volksbühne) und Dziga Vertovs »Ein Sechstel der Erde« (27.3., Volksbühne) erleben durch die Konfrontation mit Neuer Musik neue Härten. Ein ganz besonderes Erlebnis verspricht die Kombination von Abel Gances Film »J'accuse« über den ersten Weltkrieg mit dem neuen Soundtrack des Gitarristen Gary Lucas und des Komponisten Reza Namavar zu werden. Der französische Filmpionier, der selbst an einer Senfgasvergiftung litt, verband in diesem Antikriegsdrama in grandioser Montagetechnik Spielfilmszenen mit Aufnahmen vom Schlachtfeld (23.3., Babylon). Ebenfalls im Babylon läuft die mitternächtliche Reihe »Tonspuren / Filme hören«.

Die zehnte MaerzMusik bietet in zehn Tagen ein dichtes Programm. Durch das wegen noch andauernder Renovierung erzwungene Ausweichen auf Spielorte wie Trafo und Berghain erfährt es zudem eine industrielle, urbane Härte, die es im edlen Festspielhaus sicher nicht gehabt hätte.

18.-27.3., Programm und Infos unter www.berlinerfestspiele.de

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal