Blockade im Dresdner Blockade-Streit
Debatte um Nazis und 13. Februar: Linke Parteien verurteilen Gewalt, doch Bürgerliche bleiben auf Distanz
Vielleicht bringt ja der 20. Mai eine Annäherung. Für diesen Tag lädt Markus Ulbig, der sächsische CDU-Innenminister, zu einem Symposium. Dort geht es um die Frage, wie friedlicher und wirkungsvoller Protest gegen die jährlich um den 13. Februar in Dresden stattfindenden Nazi-Aufmärsche organisiert werden kann, ohne dass man bei symbolträchtigen, doch wirkungslosen Menschenketten stehen bleibt oder aber gewaltsame Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und Polizei riskiert. An der Suche nach Antworten wollen sich Prominente wie Ex-Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, Wolfgang Bosbach (CDU) und Bundestagsvize Wolfgang Thierse (SPD) beteiligen.
Zu hoffen und erwarten ist, dass dort sachlicher und nüchterner gestritten wird als in Sachsens Landtag, wo es die demokratischen Parteien nicht schaffen, sich auf eine gemeinsame Linie gegen die rechten Spektakel zu einigen. Die werden zwar quer durch die Parteien als geschichtsverfälschend und in der Bevölkerung unerwünscht beschrieben. Damit enden jedoch die Gemeinsamkeiten. Bei der Frage, welche Formen von Protest legitim sind und wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass es neben Blockaden auch zu Gewalt gegen Polizisten kam, scheiden sich die Geister wie eh und je. »Sie reden die Konflikte herbei«, warf Sabine Friedel (SPD) der Koalition von CDU und FDP vor, »und reden sie größer, als wir das gebrauchen können.«
In die Haare geraten sich bürgerliche Parteien sowie das »linke Lager« vordergründig wegen gewaltsamer Ausschreitungen bei Protesten am 19. Februar, als Steine flogen, Barrikaden brannten und neben 150 Demonstranten auch 112 Polizisten verletzt wurden. Zwar betont der Linksabgeordnete Klaus Bartl, dass derlei Gewalt »das Anliegen der friedlichen Demonstranten desavouiert« und dringend zu überlegen sei, wie das zu verhindern sei. »Wer Steine auf Polizisten wirft, hat alle Sympathie verloren«, sagt LINKE-Landeschef Rico Gebhardt. Auch SPD-Fraktionschef Martin Dulig betont, für derlei Gewalt gebe es »keinerlei Rechtfertigung«. Diese Distanzierungen aber hält der FDP-Fraktionschef Holger Zastrow nicht für glaubwürdig. Die friedlichen Blockaden auf den Nazi-Routen, an denen Dulig und andere Abgeordnete von SPD, LINKE und Grünen teilnahmen, seien ein »Schutzschirm« für die Gewalttäter gewesen, sagte er und warf den Unterstützern vor, diese seien »auf dem linksradikalen Auge blind und tolerieren Gewalt von dort«.
Derlei Schuldzuweisungen überlagern die notwendige Debatte darüber, warum es am 19. Februar zu teils chaotischen Zuständen in Dresden kam und wer verantwortlich ist: die Ordnungsbehörde, die entschied, Nazis und Protestierer weiträumig zu trennen; Gerichte, die daraufhin sämtliche Gegenveranstaltungen in Sicht- und Hörweite verboten, oder die Polizei, die versuchte, die gesamte Innenstadt abzuriegeln – und damit trotz eines Großaufgebots scheitern musste, weshalb der Grüne Johannes Lichdi nun den Rücktritt von Ordnungsbürgermeister und Polizeipräsident fordert.
Ob das hilfreich ist, sei dahingestellt. »Wir müssen nicht Schuldfragen klären«, sagt Dulig, »sondern als Demokraten gemeinsam stehen« – so wie das in Leipzig, in Jena oder unter einem OB Markus Ulbig einst auch in Pirna möglich war. Überall dort wurden Nazis erfolgreich verjagt. Kleinliche Debatten über die Legalität von Blockaden sind aus diesen Städten nicht überliefert; statt dessen gab es Protest, der von Rathauschefs angeführt wurde und in Sichtweite der Nazis stattfand – oder, wie es am 19. Februar hieß, in »Spuckweite«. Von einem solchen Vorgehen, bei dem Animositäten unter Parteien zurückgesteckt werden, ist man in Dresden noch weit entfernt. Das zeigte die gestrige Landtagsdebatte ebenso wie der Umstand, dass gegen das Bündnis »Dresden Nazifrei!« offenbar ermittelt wird – wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
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