Faszinosum Linie

Die Galerie Hetzler zeigt »Bridget Riley: Paintings and Related Work 1983 – 2010«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie ist Englands Grande Dame moderner Malerei, Bridget Riley, die allerdings den von der Königin angebotenen Adelstitel Dame ablehnte: Er sei unvereinbar mit ihrer öffentlichen Rolle als Künstlerin. An Auszeichnungen fehlt es ihr dennoch nicht, vom Internationalen Preis für Malerei bei der Biennale in Venedig 1968 über den begehrten Praemium Imperiale in Tokio 2003 bis zum Kaiserring der Stadt Goslar 2009, wichtigster Kunstpreis der Bundesrepublik, und dem Rubenspreis der Stadt Siegen. Ihre dritte, 22 Werke aus 27 Jahren umfassende Ausstellung in der Galerie Hetzler macht Entwicklungen sichtbar. Gleichsam ist die Schau Geschenk zu Rileys 80. Geburtstag im April.

Zeichnen sei spannende Recherche, sagt sie, wie mit einem »Auge an der Spitze meines Bleistifts«. In Italien setzte sie sich mit der Renaissance, dem Futurismus auseinander, hatte 1962, zwei Jahre später, ihre erste Einzelausstellung in London, 1965 eine vorab bereits ausverkaufte Schau in New York. Op Art malte sie, die Kunst der augentäuschenden Effekte und grafischen Muster, wie Victor Vasarely sie mitbegründet hat. Studien mit geometrischen Formen, Quadrat, Kreis, Dreieck, Oval, entstanden, raffiniert verkürzt und mit fast flirrender Wirkung.

Ab 1967 begann Riley, die bislang in Schwarz-Weiß gearbeitet hatte, mit Farbe zu experimentieren, suchte nach der Beziehung zwischen Farbe und Struktur. Nachdem sie in »Streifenbildern« vorerst nur die »Farbe um die gerade Linie geflochten hatte«, wie sie sagt, nahm sie sich auch die Kurve als Grundelement vor. Impulse beim Spiel mit der Farbe verlieh ihr 1981 eine Ägyptenreise, auf der sie die Farbpalette der Grabmalereien studierte. In der Folge schuf sie große Bildformate, jeweils Öl auf Leinen, auf denen sie senkrechte Linien mit verschiedenen Farben »umkleidete« und durch die Anordnung in einen bestimmten Rhythmus brachte. Fünf Beispiele dafür sind bei Hetzler zu sehen, das älteste von 1983 mit dem Titel »Delos«, angeregt offenbar von Eindrücken jener griechischen Insel, das jüngste von 2010 und mit 231,5 x 185 Zentimetern auch das größte. Bei allen spielt der Abstand des Betrachters mit: Je mehr man sich entfernt, desto harmonischer wird der Farbzusammenklang. Mit ausgeschnittenen Farbstreifen entwirft sie diese Werke in variabler Collage-Technik.

Als nächste Stufe ihrer Recherche beschreibt Riley den Übergang von der Geraden zur Kombination aus Vertikale und Diagonale, wie ihn vier Exponate demonstrieren. Vertikale »Bänder« aus verschiedenfarbigen Rauten, kraftvoller oder blasser getönt, reihen sich darauf eng, lassen die Betonung trotzdem bei der Diagonalen, bieten einen vibrierenden Gesamteindruck. Dass sich dabei Farbrauten verdoppeln, verdreifachen, Winkel bilden können, gibt Spannung, ist Überraschungseffekt. Seit Ende der 1990er entwickelt Riley jenes Vertikal-Diagonal-Prinzip weiter, indem sie die Kurve als Grundbaustein einführte. Sechs Exponate erläutern das in der Ausstellung. Wieder sind es »Farbbänder«, die sie fügt, so dass Diagonaleffekte entstehen. Größer jedoch sind hier die Raster, reduzierter die Farben; das »Red With Red Triptych« von 2010 klammert das Bild und zwei daneben hängende identische Ausschnitte zur Dreiheit, macht so das Verfahren bewusst. Sechs Gouachen zeigen Entwürfe und Vorstudien.

Einzelexponat ist »Composition with Circles 4« von 2004: 125 Kreise, ganz oder halb, tangieren, schneiden, überlagern sich auf weißer Wand von 392,2 x 1671,2 Zentimetern Länge. Nicht selbst malt Riley, will sich Distanz zum eigenen Werk wahren, überlässt die Ausführung deshalb ihren Assistenten. Architekt Paul Williams hat die imposanten Räume bei Hetzler gestaltet: Dass »Circles« und ein zweites Wandbild nach der Finissage übermalt werden, nimmt Riley in Kauf.

Bis 16.4., Galerie Hetzler, Oudenarder Str. 16-20, Wedding, Telefon 45 97 74 20, Infos unter: www.maxhetzler.com

Bilder der Ausstellung

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