Menschenkette an der Uferbahn

Tausende Teilnehmer bei der Aktion für den Erhalt der historischen Tramlinie 68

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Tram soll bleiben – Tausende standen am Samstag direkt an ihrer Strecke
Die Tram soll bleiben – Tausende standen am Samstag direkt an ihrer Strecke

Samstagnachmittag am S-Bahnhof Grünau: Tausende Menschen, darunter viele Schüler aller Altersklassen, hatten sich an der Haltestelle der Straßenbahnlinie 68 eingefunden, um für den Erhalt ihrer Tram zu demonstrieren. Von Grünau bis zur Endhaltestelle in Alt-Schmöckwitz bildete sich eine fast geschlossene Menschenkette. Etwa 3000 Teilnehmer, so die Schätzung der Organisatoren, forderten auf Plakaten, Transparenten und in Sprechchören: »Die 68 muss bleiben!«

Die 7,5 Kilometer lange Uferbahn von Grünau nach Schmöckwitz, die schon 1912 in Betrieb genommen worden war, gilt als die wohl schönste Straßenbahnlinie Berlins. Sie gehört zu der Stadt, so konnte man auf Plakaten lesen, wie das Brandenburger Tor. Die Trasse verläuft überwiegend am Ufer der Dahme und müsste jetzt dringend saniert werden. Die BVG, die die Linie 68 als nicht rentabel betrachtet, will die nach eigenen Berechnungen für eine Generalüberholung notwendigen 18 Millionen Euro einsparen und lieber auf Busbetrieb umstellen. Das sei jedoch eine Milchmädchenrechnung, wie Peer Hauschild, Sprecher der Initiative Pro Uferbahn, feststellte, denn auch die Busvariante würde Kosten von 15 Millionen Euro verursachen.

Für die Betroffenen wäre ein Wegfall der 68 mit vielen Härten und Unannehmlichkeiten verbunden. Das Strandbad Grünau, zahlreiche Wassersportvereine und Ausflugsrestaurants wären nicht mehr direkt zu erreichen. Schülerinnen wie die 14-jährige Luise von der Grünauer Gemeinschaftsschule müssten dann noch mehr Zeit für den Schulweg nach Köpenick einplanen, denn ein Bus käme nicht an alle Haltepunkte der Straßenbahn heran. »Bahn ist einfach schneller und ökologisch besser als der Bus«, fasste Luise die Meinung aller zusammen.

Zu denen, die für einen Erhalt der 68 demonstrierten und dafür auch Unterschriften sammelten, gehörte der 69-jährige Jürgen Czarnetzky aus Spandau, der sich seit langem mit Schmöckwitz und seiner Uferbahn verbunden fühlt. Auch den bekannten Berliner Schriftsteller und Krimiautor Horst Bosetzky, der als Vorsitzender einer Jury die besten Schülerplakate und Transparente für den Erhalt der 68 auszeichnete, verbindet viel mit der Tram und der Region. Gegenüber ND sagte er: »Die Straßenbahn ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich sogar ein Diorama von ihr bei mir zu Hause habe.« Bosetzky hat einen Teil seines Lebens in Schmöckwitz verbracht. »Der Klang des Namens Schmöckwitz allein weckt bei mir süße Erinnerungen«, bekannte er.

Treptow-Köpenicks Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD), der auch an die Strecke gekommen war, findet es ein wenig gespenstisch, dass kleinere Abschnitte der Uferbahn schon vor Wochen saniert wurden, nun aber der größere Rest in Frage gestellt werde. »Es macht keinen Sinn, überall nur Stückwerk zu machen«, sagte er. Die BVG müsse erst einmal nachweisen, dass sich die Uferbahn nicht rechne, habe aber bisher ihre Zahlen nicht offen gelegt.

Vielleicht war es schon ein gutes Zeichen, dass die Berliner Verkehrsbetriebe der Bitte der Organisatoren entsprachen und Doppelzüge einsetzten, um alle Unterstützer der 68 ans Ziel zu bringen.

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