Erkunden von Welt

Wienckowski tot

  • Lesedauer: 2 Min.

Er dachte in Bildern. Die Landschaften und Porträts waren für Gerhard Wienckowski eine »zweite« Wirklichkeit, eine erhöhte, gesteigerte, verdichtete, der eigentliche Vorgang des Lebens. »Man muss teilnehmen am Schicksalhaften einer Landschaft oder eines Menschen«, sagte er. Im schwebenden Schimmer der Farbe liegt die Welt in einem eigentümlichen Dämmer, Dunst oder Nebel, in dem sich das Menschliche mit der Durchsichtigkeit von Schatten bewegt. Der Künstler verlandschaftete gleichsam das menschliche Antlitz, entmaterialisierte das Gegenständliche, entdeckte in der Landschaft wiederum Psychisches und Physiognomisches.

Wienckowski, seit 1966 ansässig in Eberswalde, arbeitete fast ausschließlich vor der Natur, mitunter jahrelang an gleichem Ort und in der gleichen Jahreszeit. Die Diagramme der Wirkkräfte der Natur – Strömen, Wehen, Wachsen, Vergehen – sollten erkennbar werden. Eine in sich geschlossene Welt mit besonderen Gesetzen – kultiviert in der Bildhaut, in Raum, Licht und Farbe. Oberbarnim, Chorin, uckermärkischer Raum, Oderbruch, Ostsee, Thüringer Wald und weiter – Zyklisches entstand: das Bild als Verallgemeinerung in der Wiederholung und Veränderung. Kein Realismus des Offensichtlichen, Feststehenden, offiziell Beglaubigten. Denn zur Wirklichkeit gehört nicht nur das Erkannte, Anerkannte, so sehr Vorhandene,und die Welt will und muss immer wieder neu entdeckt werden. So bleibt auch die ihn seinen Lebtag beschäftigende Frage offen: »Es ist zwar etwas gesagt, aber ob es schon das Endgültige ist? Darin liegt der Zweifel und die Hoffnung.«

Am 6. April ist der Maler, Zeichner und Grafiker Gerhard Wienckowski im 76. Lebensjahr gestorben. Ein großer Künstler, ein wunderbarer Mensch, einer der Stillen und Unaufgeregten in unserem Lande ist von uns gegangen.

Klaus Hammer

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