AKW-Verbot in der Verfassung

Das einzige in Österreich gebaute Atomkraftwerk ging nie ans Netz

  • Hannes Hofbauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 5. November 1978 um 19.30 Uhr verkündete der damalige österreichische sozialdemokratische Innenminister Erwin Lanc im Fernsehen mit steinerner Miene das Resultat des sonntäglichen Referendums. 50,47 Prozent seiner Landsleute hatten in der ersten Volksabstimmung der Zweiten Republik ihr Nein in die Urne gelegt. Damit war Österreich eine strahlende Zukunft ohne Atomkraft beschert. Das bereits fertig gestellte AKW Zwentendorf ging nicht ans Netz.

Die Schlacht um Zwentendorf hat Generationen von Menschen politisiert. Auf der Pro-Atom-Seite standen die Gewerkschaften, die SPÖ, die Industriellenvereinigung sowie eine Hälfte der ÖVP, allen voran der Wirtschaftsbund. Dagegen agitierte eine bunte und wilde Mischung aus Oppositionellen: Bauern und Landwirte aus der Umgebung des Kraftwerkes, kirchliche Kreise, namhafte Vertreter der FPÖ sowie linke und alternative Gruppen.

Bereits 1976 hatte sich eine »Initiative österreichischer Atomkraftgegner« gebildet, deren harter Kern sich einerseits aus strukturkonservativen Katholiken und andererseits aus Linken der 68er-Bewegung, darunter auch Maoisten, zusammengesetzt hatte. Der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), ein vehementer Befürworter der Atomenergie, hat die Gegner des Kraftwerkbaus immer wieder als »Chaoten und Maoisten« bezeichnet.

Letztlich ausschlaggebend für das Nein zur Atomkraft war allerdings die Haltung der auflagenstärksten Tageszeitung, der »Kronenzeitung«, die ihre AKW-Kritik vornehmlich dazu benutzte, um die Reputation des sozialdemokratischen Kanzlers zu schädigen.

Die Anlage des AKW Zwentendorf liegt westlich von Wien bei Tulln an der Donau. Vor der Volksabstimmung waren bereits die Brennstäbe angeliefert worden, alles war fix und fertig. Der Betrieb hätte in wenigen Wochen starten sollen. Die Allianz aus »Krone«, linken, kirchlichen und rechten Kreisen hat neun Milliarden verbaute Schillinge (650 Mio. Euro) in den Donausand gesetzt. Der von Siemens errichtete Siedewasserreaktor lieferte kein einziges Kilowatt Strom.

Nach zwei kläglich gescheiteren Versuchen in den späten 1980er und 1990er Jahren, die Inbetriebnahme doch noch zu bewerkstelligen, verabschiedete das österreichische Parlament im Jahr 1999 einstimmig ein Bundesgesetz für ein atomfreies Österreich, in dem es u.a. heißt: »Kraftwerke dürfen nicht errichtet, bereits errichtete nicht in Betrieb genommen werden.« Dieses Gesetz verstärkte das Atomsperrgesetz, welches unmittelbar nach der Volksabstimmung bereits im Dezember 1978 in Kraft getreten war.

Heute befindet sich der imposante Bau des »leeren« AKW im Besitz des niederösterreichischen Energiekonzerns EVN (Energie Versorgung Niederösterreich) und ist als Museumsbetrieb fallweise geöffnet. Jahrelang wurde das Gelände auch als Eventlocation für Musikkonzerte genutzt, seit 2009 ziert eine Fotovoltaik-Anlage das Dach des Monsters.

Österreichs Stromerzeugung kommt ohne Atomspaltung aus. Wasserkraftwerke steuern mit 67 Prozent den Löwenanteil zur heimischen Produktion bei, gefolgt von 29 Prozent, die aus fossilen Energieträgern wie Erdöl und Steinkohle Strom gewinnen und vier Prozent aus Windkraftwerken. Die alpenländischen Talsperren mit ihren Speicherkraftwerken und die großen Flusskraftwerke an der Donau bilden das Rückgrat der energetischen Versorgung. Rechnet man alle, großteils saisonal bedingten Stromimporte aus Frankreich und Deutschland dazu, beträgt der Anteil des Atomstroms, der in Österreich insgesamt verbraucht wird, etwa fünf Prozent.

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