Warnschuss für Jugendliche

Nach Prügelattacke am U-Bahnhof Friedrichstraße will Union das Strafrecht verschärfen

  • Jenny Becker
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Bilder der Überwachungskamera waren gestern nicht nur auf den Seiten von Berliner Zeitungen zu sehen. Deutschlandweit sorgte die aufgezeichnete Gewaltattacke für Empörung: In der Nacht zum Ostersamstag hatte ein 18-Jähriger Schüler im U-Bahnhof Friedrichstraße einen 29-Jährigen mit heftigen Tritten gegen den Kopf bewusstlos geprügelt. Als Grund gab er später »eine aggressive Stimmung« und Trunkenheit an. Das Überwachungsvideo war von der Polizei ins Internet gestellt worden, daraufhin hatten sich der Haupttäter und sein gleichaltriger Begleiter gestellt und die Tat gestanden.
Ausschnitt aus dem Überwachungsvideo
Ausschnitt aus dem Überwachungsvideo

Gegen den Schläger wurde Haftbefehl wegen versuchten Totschlags erlassen, Untersuchungshaft wurde nicht angeordnet. Bis zum Prozessbeginn sind beide unter Auflagen auf freiem Fuß. Der zuständige Richter begründete das damit, dass die Jugendlichen bislang nicht polizeilich aufgefallen waren und sich geständig gezeigt hatten.

Der Aufschrei über den erneuten Ausbruch plötzlicher Gewalt an einem Berliner U-Bahnhof war groß, ebenso die Entrüstung über die Freilassung der Täter. Die CDU fordert nun eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. »Hier hilft aus unserer Sicht nur eine Null-Toleranz-Strategie mit schnellen und harten Strafen«, sagte der Berliner CDU-Landeschef Frank Henkel. Gegenüber der »Berliner Morgenpost« schlug er vor, 18- bis 21-Jährige wie Erwachsene zu bestrafen und als Erziehungsmaßnahme den so genannten Warnschuss-Arrest einzuführen. Als Ergänzung zur Jugendstrafe auf Bewährung sollen Wiederholungstäter demnach für kurze Zeit im Gefängnis sitzen.

Unterstützung bekam Henkel von seinem Parteikollegen, dem Bundestagsabgeordneten Günter Krings: »Hier bekäme ein Jugendlicher schon mal einen Vorgeschmack auf den Knast«, sagte Krings dem »Kölner Stadtanzeiger«. Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU kündigte einen Gesetzentwurf für den Warnschuss-Arrest an, der voraussichtlich im Juni vorgelegt wird.

Oppositionspolitiker und Experten kritisierten die Pläne. Die Geschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, Nadine Bals, warf der Regierung Symbolpolitik vor und Christian Ströbele von den Grünen monierte, konservative Politiker würden »in unzulässiger Weise mit der Angst der Leute« spielen. Die bereits möglichen Höchststrafen würden derzeit gar nicht ausgeschöpft. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion, wies darauf hin, dass der Warnschuss-Arrest nicht auf den aktuellen Fall passe, da es sich hier um keinen Wiederholungstäter handele und eine Haftstrafe zu erwarten sei. Notwendig sei nun allerdings ein schneller Prozessbeginn, damit die Strafe auf dem Fuß folge.

Auch die Innenexpertin der LINKEN, Marion Seelig, warnte davor, »dem Geschrei nach höheren Strafen« nachzugeben. Sie betonte, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handele, bei dem vor allem Prävention wichtig sei, etwa durch Aufklärungsarbeit an Schulen. Das sehen auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) so, denen die U-Bahn untersteht. Als Verkehrsunternehmen könne man an der gesellschaftlichen Lage nichts ändern, so ein Sprecher. Zu den Rufen nach mehr Sicherheitspersonal an Bahnhöfen, die von der Politik, aber auch den Polizeigewerkschaften laut geworden waren, hieß es: Mehr Personal würde Gewaltfälle nicht verhindern. Die BVG setze sich aber für eine längere Speicherung der Überwachungsvideos ein, damit mehr Täter gefasst werden könnten.

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