»Er hat mich provoziert, da schlug ich zu«

Fünf U-Bahn-Schläger müssen sich wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung verantworten

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen

Ein Fall von U-Bahn-Gewalt beschäftigt seit gestern die Berliner Justiz. Fünf Monate liegt das Geschehen zurück. So lange hat die Staatsanwaltschaft benötigt, um Einzelheiten der Tat aufzuklären. Die Videoaufzeichnungen vom U-Bahnhof hatten anfangs nicht zur Überführung der Täter geführt. Erst als sie bei anderen Straftaten auffielen, kam die Sache ins Rollen.

Anders als bei dem Fall vom Ostersonnabend, als ein 29-Jähriger auf dem Bahnhof Friedrichstraße misshandelt wurde, gibt es hier gegensätzliche Versionen. Die fünf Angeklagten zwischen 18 und 26 Jahren sollen am 18. September 2010 auf der Linie U6 zu nachmitternächtlicher Stunde in der Bahn gewütet haben, sagt die Staatsanwaltschaft. Doch Täter wie Opfer beurteilen das Geschehen völlig unterschiedlich. Also soll zunächst eines der Opfer zu Wort kommen.

Der 19-Jährige schildert, wie er den 18. September erlebt hat: »Wir kamen von einer Geburtstagsfeier und waren zu viert. Ich befand mich mit einem Freund im ersten Wagen, mein Bruder und ein anderer Freund im zweiten. Auf dem U-Bahnhof Tempelhof stürzte eine Gruppe von fünf Jugendlichen in den Waggon und beschimpfte uns. Einer verlangte mein Handy. Ich weigerte mich. Dann schlugen alle sofort auf mich ein, einer zog ein Cuttermesser, andere schlugen weiter. Das Handy haben sie nicht bekommen. Auf der nächsten Station stürmten die Angreifer in den nächsten Wagen und bedrohten meinen Bruder. Ich sah wie er bewusstlos am Boden lag. Ich wollte ihm zur Hilfe eilen und schlug mit dem Nothammer die Fenster ein. An der nächsten Station haben wir ihn dann auf den Bahnsteig gelegt, bis Hilfe kam.« Der ältere Bruder wurde mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht, die Schnittverletzung durch das Messer beim jüngeren musste genäht werden.

Die Geschichte der Täter ist vor allem von Vergesslichkeit und Schulterzucken geprägt. Drei Täter schweigen, zwei wollen eigentlich gar nichts gesehen haben. Und genau können sie sich auch nicht mehr erinnern, was damals geschah. Nur einen Faustschlag gesteht einer der Täter ein. Wie es zu den Kopfverletzung bei einem Opfer kam, warum so viel Blut floss, warum ein Opfer bewusstlos am Boden lag – allgemeines Schulterzucken. Man habe sich von den »anderen« provoziert gefühlt. Mehr ist nicht geschehen.

Die Jungs auf der Anklagebank sind auch sonst nicht sehr zimperlich. Sie klauen ein Moped und bedrohen den Besitzer. Oder sie brechen zur Tageszeit einen Spielautomaten auf, um an das Geld zu kommen. Dass sie dabei beobachtet werden, stört sie nicht. Deshalb sitzen die zwei Haupttäter in Untersuchungshaft oder verbüßen gerade eine Haftstrafe wegen weiterer Verurteilungen. Die Staatsanwaltschaft geht deshalb von einem bewussten Raubzug aus und nicht von einer »Alltagsschlägerei«.

Auffällig ist die schnelle und selbstverständliche Bereitschaft zuzuschlagen oder zum Messer zu greifen. »Wenn mich einer provoziert«, dann kann ich das nicht auf mich sitzen lassen«. Oder: »Die haben ja angefangen zu beleidigen, da musste ich zuschlagen«. Muss man wirklich?

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