Hin und wieder ein Klaps erlaubt?

Sabine Walther über eine Umfrage unter Berliner Kindern zu ihren Rechten / Walther ist Geschäftsführerin des Landesverbandes Berlin des Deutschen Kinderschutzbundes

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Hin und wieder ein Klaps erlaubt?

ND: Der Deutsche Kinderschutzbund Berlin hat eine Umfrage unter Kindern in der Hauptstadt durchgeführt. Worum ging es ?
Walther: Wir als Kinderschutzbund sind immer daran interessiert, was die Kinder selber denken und sagen. Und bei vielen Gelegenheiten versuchen wir, die Kinder zu befragen. Zum Beispiel bei Familienfesten oder in unseren Kinder-Projekten.

Wie viele Kinder nahmen teil?
Insgesamt 348 Kinder, hauptsächlich im Alter von 5 bis 14 Jahren, haben geantwortet, die Jungen haben etwas überwogen mit 194 Teilnehmern. Wir haben das immer Kinderrechte-Quiz genannt, das sind sechs Fragen, die wir kindgerecht stellen. Das Ganze ist natürlich weder repräsentativ noch wissenschaftlich, aber ich finde trotzdem, dass wir die Ergebnisse ernst nehmen sollten.

Was für Fragen waren das?
Unsere sechs Fragen beziehen sich auf die Kinderrechte: Für wen sie gelten, ob Eltern ihre Kinder schlagen, Kinder ihre Meinung sagen dürfen, ob Mädchen und Jungen die gleichen Rechte haben und ob Kinder ein Recht zu spielen haben.

Welche Ergebnisse gab es ?
Was uns als Kinderschutzbund am meisten erschreckt ist, wenn die Kinder überzeugt sind, dass ihre Eltern sie schlagen dürfen. Davon waren 30 Prozent der Mädchen und noch über 26 Prozent der Jungen überzeugt. Als Antwortmöglichkeiten für diese Frage waren vorgegeben: »Nein«, »Hin und wieder ist ein Klaps erlaubt« oder »Ja – aber nur wenn das Kind frech ist«. Und da haben viele speziell die Antwort »Ja, aber nur wenn das Kind frech ist« angekreuzt.

Das sind erschreckende Ergebnisse. Die Rechtslage in Deutschland sieht doch aber anders aus.
Als Deutscher Kinderschutzbund haben wir lange dafür gekämpft, dass die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland umgesetzt wird. Und waren damit ja auch erfolgreich. Der Gesetzgeber hat endlich im Jahr 2000 das Bürgerliche Gesetzbuch geändert. Da steht jetzt drin: Alle Kinder in Deutschland haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Es ist aber ein langer Weg, bis es dann in den Köpfen drin ist. Die Bundesregierung hat dafür zu wenig getan.

Immerhin gab es ein Plakatkampagne, andere Untersuchungen konstatieren den gewünschten Bewusstseinswandel.
Ich finde es auch gut, dass in Deutschland das Ganze anders gesehen wird als in den 60er oder 70er Jahren. Dennoch ist es alarmierend, wenn fast jedes dritte Kind denkt, dass es zumindest mal eine Ohrfeige bekommen kann.

Nicht wenige Eltern scheinen überfordert zu sein.
Es geht nicht darum, Eltern zu brandmarken, sondern um den Bewusstseinswandel bei allen Eltern. Außerdem müssen die Kinder wissen, was ihre Rechte sind, damit sie sie artikulieren können. Und Eltern müssen lernen, sich zu entschuldigen.

Welche Rolle spielt die soziale Situation der Eltern?
Arme Eltern mit geringerem Bildungsstand reagieren sicher eher mal mit körperlicher Gewalt, weil sie sich nicht mit Worten zu helfen wissen. Wenn es aber um seelische Gewalt geht, gibt es keine Unterschiede mehr zwischen dem Professor und dem Hartz IV-Empfänger. Das gilt ebenso bei sexueller Gewalt.

Es gibt aber auch Kinder, die wachsen im goldenen Käfig auf und nehmen so Schaden. Man muss bei den Gewaltformen also genau hinschauen.

Fragen: Martin Kröger

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