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Bis zur letzten Granate ...

Die Skagerrakschlacht 1916 und das Unternehmen »Rheinübung« 1941

  • Horst Diere
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist am 31. Mai genau 95 Jahre her, da die britische Grand Fleet und die deutsche Hochseeflotte in der Nordsee vor dem Skagerrak aufeinander stießen und die bis dahin gewaltigste Schlacht der Seekriegsgeschichte entbrannte, an der 254 Schiffe teilnahmen. Am 27. Mai vor 70 Jahren wiederum ist das damals größte und kampfstärkste Schlachtschiff der deutschen Kriegsmarine von der Royal Navy im Atlantik, etwa 400 Seemeilen westlich von Brest, versenkt worde.

Den Sieg in der Skagerrakschlacht beanspruchten beide Seiten für sich, doch objektiv muss deren Ausgang als unentschieden gelten. Strategisch war sie kaum von Bedeutung, sie blieb ohne Einfluss auf den weiteren Kriegsverlauf. Und doch wurde in Deutschland der Chef der Hochseeflotte, Admiral Reinhard Scheer, als der »Sieger vom Skagerrak« gefeiert. Mit der Überhöhung dieser Schlacht und der Verherrlichung des Kampfes der Kaiserlichen Marine wurde der Grundstein für den bis 1945 gepflegten Skagerrakkult gelegt.

Dabei hatte die Skagerrakschlacht die Unhaltbarkeit der Doktrin von der »kriegsentscheidenden Rolle einer starken Schlachtflotte« gezeigt, mit der Großadmiral Tirpitz vor dem Ersten Weltkrieg die deutschen Flottenrüstungen begründet hatte. Dennoch wollte nach der deutschen Niederlage von 1918 in der Weimarer Republik die Marineleitung unter dem Oberbefehlshaber der späteren Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, nicht auf eine starke Überwasserflotte verzichten, die vor allem im Atlantik operieren und Großbritannien von seinen Zufuhren abschneiden sollte. Entgegen den Erfahrungen nach der Skagerrakschlacht, gelangte die Marineführung zu der Ansicht, dass im Kampf gegen die britischen Seeverbindungen nicht der Einsatz von U-Booten, sondern von schweren Schiffen von größerer Wirkung wäre. Davon aber standen ihr zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 lediglich zwei Schlachtschiffe, drei Panzerschiffe und zwei Schwere Kreuzer zur Verfügung. Einige weitere schwere Einheiten befanden sich in der Fertigstellung, darunter die Schlachtschiffe »Bismarck« und »Tirpitz«.

Der Stapellauf der später bei voller Ausrüstung rund 50 000 Tonnen Wasser verdrängenden »Bismarck« erfolgte am 14. Februar 1939 auf der Hamburger Werft Blohm und Voss im Beisein Hitlers, der am Vortage im unweit entfernten Friedrichsruh am Grabe Bismarcks demonstrativ einen Lorbeerkranz niedergelegt hatte und nun selbst die Taufrede hielt. Eine Enkelin des »Eisernen Kanzlers« vollzog die Namensgebung.

In Dienst gestellt am 24. August 1940, sollte die mit acht Geschützen schwer bestückte, stark gepanzerte und doch schnelle, in Gotenhafen (Gdynia) liegende »Bismarck« zusammen mit dem neuen Schweren Kreuzer »Prinz Eugen« im April 1941 in den Atlantik zum Kampf gegen die britische Versorgungsschifffahrt auslaufen. Durch die Dänemarkstraße zwischen Island und Grönland vorstoßend, sollten sie sich mit den aus dem französischen Hafen Brest kommenden Schlachtschiffen »Scharnhorst« und »Gneisenau« zu einem Kampfverband vereinigen. Das unter dem Decknamen »Rheinübung« vorbereitete Unternehmen musste jedoch verschoben werden, weil die beiden Schlachtschiffe nicht einsatzbereit waren. Auf Drängen von Raeder begannen »Bismarck« und »Prinz Eugen« dann aber unter Flottenchef Admiral Günther Lütjens am 18. Mai 1941 allein die »Rheinübung«.

Sechs Tage später, am 24. Mai, kam es in der Dänemarkstraße zum Gefecht mit den britischen Schlachtschiffen »Hood« und »Prince of Wales«, wobei die »Hood«, das bis dato größte Schlachtschiff der Welt, von der »Bismarck« versenkt und die »Prince of Wales« beschädigt wurde. Doch auch die »Bismarck« hatte Treffer erhalten, die die Geschwindigkeit des Schiffes beeinträchtigten und Öl ausliefen ließen.

In dieser Situation entließ Lütjens die »Prinz Eugen« und nahm Kurs auf den Hafen St. Nazaire, der mit seinem großen Dock die beschädigte »Bismarck« zur Instandsetzung hätte aufnehmen können. Doch am 26. Mai zerstörte ein Torpedo des Flugzeugträgers »Ark Royal« die Ruderanlage des Schiffs. Nunmehr steuerlos, sank die »Bismarck« am Vormittag des 27. Mai 1941 im Feuerhagel zahlreicher britischer Schiffe. Von den 2221 Besatzungsmitglieder der »Bismarck« überlebten nur 115 das Debakel, das die NS-Propaganda in ein Beispiel für deutschen Heldenmut und Pflichterfüllung glorifizierte. Die letzten Funksprüche, die Lütjens absetzen ließ, waren in diesem Geiste: »Schiff manövrierunfähig. Wir kämpfen bis zur letzten Granate. Es lebe der Führer.« Und an Hitler: »lm Glauben an Sie, mein Führer, kämpfen wir bis zum Letzten und im felsenfesten Vertrauen auf den Sieg Deutschlands.« Der Verlust der mit dem Nimbus der Unsinkbarkeit umgebenen »Bismarck« bedeutete das Ende der deutschen Operationen mit schweren Seestreitkräften; nun wurden bevorzugt U-Boote eingesetzt.

Der erste Lenkwaffenzerstörer der Bundesmarine war übrigens auf den Namen »Lütjens« getauft worden – was ein äußerst fragwürdiges Traditionsverständnis offenbart. Das in 4790 Meter Tiefe liegende Wrack der »Bismarck« ist 1989 von einem US-Forscherteam entdeckt worden.

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