Treberhilfe wurde gekündigt

Senat löste Vergütungsvereinbarungen in Millionenhöhe mit umstrittenem Sozialunternehmen auf

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Senat hat dem Sozialunternehmen Berliner Treberhilfe jährliche Aufträge in Millionenhöhe fristlos gekündigt. »Wir haben grobe Pflichtverstöße festgestellt«, begründete Anja Wollny, die Sprecherin von Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE), gegenüber ND das Vorgehen. Insgesamt betreffe die Kündigung des Senats Leistungen aus dem sogenannten Entgeltbereich in Höhe von 5,4 Millionen Euro jährlich, so Wollny. Diese Gelder hatte das seit der »Maserati-Affäre« des ehemaligen Geschäftsführers Harald Ehlert im vergangenen Jahr umstrittene Sozialunternehmen für den Unterhalt von Kriseneinrichtungen, die Betreuung Obdachloser und von Wohngruppen in verschiedenen Bezirken bekommen – insgesamt für 600 zu betreuende Klienten.

Bei der Treberhilfe gGMBH selbst wollte man gestern den Vorgang nicht kommentieren, eine Presseanfrage des ND blieb unbeantwortet. Nach der Kürzung der Mittel für die Straßensozialarbeit im vergangenen Jahr war das Sozialunternehmen jedoch sofort gerichtlich gegen die Streichung von Zuwendungen in Höhe von 700 000 Euro im Jahr durch den Senat vorgegangen – und hatte vor Gericht im Januar dieses Jahres auch teilweise Recht bekommen. Das Verfahren muss neu aufgerollt werden, die Straßensozialarbeit wird inzwischen allerdings von anderen Sozialträgern besorgt. Ein ähnliches Widerspruchsverfahren durch die Treberhilfe ist auch diesmal bei den neuen Kürzungen zu erwarten.

Überrascht zeigte man sich gestern auf Bezirksebene von der Vorgehensweise des Senats. »Das war im Vorfeld nicht mit uns abgesprochen«, sagte der Sozialstadtrat von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne). Insgesamt seien 48 Fälle im Bezirk Mitte von den Kündigungen betroffen, so Dassel. Man werde die Vereinbarungen für die Menschen jedoch nicht sofort auflösen, sondern unter der Maßgabe der Kündigung des Landes keine neuen Verträge mit der Treberhilfe mehr abschließen und bestehende Kontrakte nicht verlängern. Je nach Laufzeitvereinbarung könnten deshalb also Vereinbarungen mit der Treberhilfe noch bis zu zwölf Monate fortbestehen. Anzeichen von Unregelmäßigkeiten bei den von der Treberhilfe erbrachten Leistungen bei der Betreuung von Klienten will von Dassel entgegen den Senatsangaben nicht bemerkt haben.

Unklar blieb gestern, auf welchen Erkenntnissen die Angaben zu den Schlechtleistungen bei der Treberhilfe durch die Senatsverwaltung für Soziales beruhen. Bekannt ist, dass eine Überprüfung der Arbeit der Treberhilfe seit Mai 2010 im Zuge der Maserati-Affäre durch die paritätisch besetzte sogenannte Kommission 75 durchgeführt werden sollte. In ihr sind die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege, Senat und Bezirke vertreten. Der Prüfbericht des Gremiums, der ursprünglich bis September 2010 vorliegen sollte, hatte sich aber immer wieder verzögert.

»Uns wäre es am liebsten gewesen, man hätte die ganze Prüfung samt Ergebnissen schnell abschließen können«, sagt die Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Elfi Witten. Da es sich um eine »vertrauliche« Betriebsprüfung gehandelt habe, könne Sie jedoch nichts zu der Prüfung sagen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband befindet sich genau wie die Diakonie in schwebenden juristischen Auseinandersetzungen mit der Treberhilfe. Beide Wohlfahrtsorganisationen hatten im Zuge der »Maserati«-Affäre das Sozialunternehmen ausgeschlossen, wogegen sich die Treberhilfe bis heute wehrt.

So oder so dürften die neuen Kürzungen das Sozialunternehmen schwer treffen. Bereits in den vergangenen Monaten hatte es des öfteren Mutmaßungen gegeben, dass die Treberhilfe Rechnungen nicht begleichen könne. Auch die Gemeinnützigkeit steht laut Medienberichten rückwirkend zur Disposition. Der Betriebsrat des Unternehmens hatte deshalb immer wieder in der jüngeren Vergangenheit seine Sorge über den Fortbestand des Unternehmens und die Zukunft seiner Klienten geäußert.

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