Araber in Berlin

Solidarität aus dem Exil

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie erleben arabische BerlinerInnen den arabischen Frühling? Wie unterstützen sie derzeit von hier aus ihre Freunde in ihren Herkunftsstaaten? Und was wissen sie über die Situation in Nordafrika und Nahost, was nicht in den Medien steht? Zwei Gäste zum Thema hatte der »Salon Interkulturell« am Freitagabend zur Diskussion in den Frannz-Club in die Kulturbrauerei eingeladen: Den ägyptisch-deutschen Filmregisseur Samir Nasr und den jemenitischen Politologen Abdulfattah Al-Gunaid.

Nasr wurde in Deutschland geboren, verlebte aber die wichtigsten Jahre seiner Schulzeit in Ägypten. In den 1980er Jahren kehrte er zum Studium nach Deutschland zurück. Bei seinen regelmäßigen Besuchen in Ägypten erlebte er seitdem den schrittweisen Abbau demokratischer Strukturen, der vielen Urlaubern, die in das Land am Nil fuhren, verborgen blieb.

Er erlebte, wie Parlament und demokratische Institutionen ausgehöhlt wurden und die Macht in die Hände »einer Clique reicher Geschäftsleute« und des repressiven und demokratisch nicht kontrollierten Polizeiapparates überging. Als Regisseur war Nasr ständig auf der Suche nach Geldgebern für seine Filmprojekte. In Ägypten einen Produzenten zu finden, war aber unmöglich, »weil die Polizeibehörde ein kritisches Drehbuch nicht abgenommen hätte«, sagt er.

Als die Menschen im Frühjahr auf den Tahrir-Platz strömten, war er zunächst in Deutschland beruflich gebunden. Doch einige Tage lang hat er die Situation vor Ort erleben können. Nasr schwärmt von dem Zusammenhalten von »Hochschulprofessoren und Tagelöhnern, von Männern und Frauen, von Moslems und Christen«, die in ihm noch heute Gänsehautstimmung aufkommen lässt.

Mit künstlerischen Mitteln will er sich in die ägyptische Revolution einbringen. Doch wer sein leidenschaftliches Bekenntnis für eine neue ägyptische Verfassung hört, sein Abwägen zwischen einer ägyptischen Zukunft als Präsidialherrschaft oder einer starken Regierung mit einem Präsidenten, der lediglich präsentiert ähnlich wie in Deutschland, der ahnt, dass er das nicht allein mit künstlerischen Mitteln tun könnte.

In Jemen hingegen ist der Despot noch nicht abgetreten. Der Politologe Al-Gunaid erzählt, wie Auslandsjemeniten »in Berlin, Kuala Lumpur und Los Angeles« über Facebook Oppositionsgruppen an verschiedenen Orten in Jemen miteinander vernetzen, Hilfsangebote weiterleiten oder Politikberatung anbieten. »Wir arbeiten Tag und Nacht. Zweimal pro Woche demonstrieren wir in Berlin vor der jemenitischen Botschaft oder am Brandenburger Tor«, sagt er.

In beiden arabischen Staaten sind Frauen ganz selbstverständlich an der Revolution beteiligt. In Jemen ist eine Frau sogar Symbolfigur der Demonstranten. Und: In beiden Staaten sind die hierzulande so gefürchteten Islamisten marginalisiert, weil sie, so der jemenitische Diskussionsteilnehmer, »die Demokratie und das erwachsende Selbstbewusstsein von Frauen fürchten«.

Musikalisch gerahmt wurde die von der ehemaligen Berliner Abgeordneten der Linkspartei Karin Hopfmann moderierte und initiierte Veranstaltung von dem arabisch-deutsch-italienischen Trio Alwan mit Eigenkompositionen, die von traditioneller arabischer Musik inspiriert sind. Hopfmann hatte vor elf Jahren den »Salon Interkulturell« ins Leben gerufen.

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