Kündigungen für Jugendhilfe

Neuköllner Bezirksbürgermeister verweist auf Haushalt / Grüne Stadträtin sagt »nicht nötig«

  • Jenny Becker
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Bezirksamt Neukölln hat am Donnerstag allen freien Trägern der Jugendhilfe im Kiez gekündigt. Das teilte die Grünenfraktion am Freitag mit und kritisierte diesen Beschluss. Er sei zudem in Abwesenheit der zuständigen Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) gefasst worden. Diese habe daraufhin ihren Urlaub abgebrochen und sei nun auf dem Weg nach Berlin, erklärte Grünen-Sprecherin Milena Oschmann.

Grund für die Kündigungen seien die neuesten Haushaltsschätzungen gewesen. In einer Sondersitzung zu den Ausgaben des Jugendamtes für die Hilfen zur Erziehung hatte das Bezirksamt am Mittwoch beschlossen, 3,2 Millionen Euro im laufenden Haushalt einzusparen. Berechnungen hatten ergeben, dass die verfügbaren Mittel bis Jahresende um 4,1 Millionen Euro überschritten würden.

»Wir dürfen nicht zulassen, dass die Hilfen zur Erziehung den Bezirkshaushalt nicht nur in diesem Jahr, sondern durch die Verlustvorträge in den kommenden Jahren dauerhaft ruinieren«, hatte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) erklärt. »Deshalb war es unumgänglich, haushaltssteuernde Beschlüsse zu fassen.« Buschkowsky bestätigte gestern auf Anfrage des ND: »Es ist richtig, dass freien Trägern am 30. Juni fristwahrend eine vorsorgliche Kündigung zugestellt wurde.« Die Entscheidung sei in Abwesenheit von Vonnekold gefallen, da am Donnerstag »das letztmögliche Datum war und die Jugendstadträtin die Kostenentwicklung den bezirklichen Gremien verschwiegen und sich in den Urlaub begeben hatte«.

»Die Kündigungen waren nicht nötig«, erklärte Oschmann. Der Jugendhaushalt sei immer sehr schwer einzuschätzen. Ein großer Teil werde für die Hilfen zur Erziehung verwendet. Da auf diese ein Rechtsanspruch bestehe, werde der Etat regelmäßig überschritten. Doch der Senat gleiche Kosten für diese Maßnahmen stets am Jahresende aus, die Haushaltüberschreitung sei nur vorübergehend.

Schon 2010 hatte sich laut Oschmann Ähnliches abgespielt. Genau am 30. Juni habe das Bezirksamt einem Teil der freien Träger gekündigt – wie diesmal zum 30. September – und ihnen am Folgetag neue Verträge angeboten. Auch diesmal hat das Bezirksamt Verträge zum 1. Oktober in Aussicht gestellt.

Den Trägern reicht das nicht. »Wir müssen jetzt bereits Arbeits- und Mietverträge kündigen, da wir nicht wissen, ob die Finanzierung weiter läuft«, erklärte Bernhard Heeb, Leiter des Nachbarschaftsheims. Projekte wie der Interkulturelle Kinder- und Familientreff oder die Jugendwerkstatt Stadtknast müssten schließen.

Betroffen sind 28 Träger, das sei etwa die Hälfte aller Träger der Kinder- und Jugendhilfe, so Oschmann. Nächste Woche wollen sie ihr weiteres Vorgehen besprechen. Das Bezirksamt plant für Mitte Juli eine Sondersitzung.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.