Naturschutz unterm Hakenkreuz
Erste Tagung in Berlin über ein lange verdrängtes Thema
Über Jahrzehnte blieb das Thema Naturschutz und Nationalsozialismus in beiden deutschen Staaten unaufgearbeitet. In der vergangenen Woche beschäftigte sich in Berlin erstmals eine internationale Tagung mit dem Naturschutz im NS-Staat und den Auswirkungen auf das Nachkriegsdeutschland.
1935 wurde im Ressort des »Reichsforstmeisters« Hermann Göring das »Reichsnaturschutzgesetz« verabschiedet. Mit dem Gesetz sahen sich viele Naturschützer damals am Ziel ihrer Wünsche, waren doch alle Versuche zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes in der Weimarer Republik gescheitert. Welche Rolle spielte aber der Naturschutz im NS-Staat wirklich? Gab es eine »grüne« NS-Politik oder war der Naturschutz doch nur dürftiges Feigenblatt für die forcierte Industrialisierung und Aufrüstung, die mit gravierenden Eingriffen in Natur und Landschaft einher ging? Diese Frage stand im Zentrum eines dreitägigen Fachkongresses in Berlin, der von der Uni Bielefeld zusammen mit der Stiftung Naturschutzgeschichte Königswinter und mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums organisiert wurde. Das Reichsnaturschutzgesetz habe im Zweifelsfall hinter konkurrierenden Ansprüchen der Wehrmacht, der Siedlungsflächenbeschaffung oder der Energiewirtschaft zurückstehen müssen, sagte Edeltraut Klüting vom Westfälischen Heimatbund. Der NS-Staat habe trotz mancher Ansätze keinen konsequenten Natur- und Umweltschutz betrieben, sondern durch Kriegswirtschaft oder Straßenbau Naturlandschaften in großem Stil zerstört. Einer der Nazi-Größen, der sich nach 1945 als Anhänger des alternativen Landbaus und missverstandener »Grüner« ausgab, war »Reichsbauernführer« Walter Darré, dessen Vergangenheit Gesine Gerhard (University of the Pacific/Kalifornien) beleuchtete. Ihn auf Grund seines punktuellen Interesses für alternativen Landbau als Naturschützer zu bezeichnen, sei ebenso irreführend wie die NSDAP eine »Grüne Partei« zu nennen. Darré habe zusammen mit Heinrich Himmler das »SS-Rasseamt« gegründet, welches die »Besiedlung« der »Ostgebiete« mit einer neuen bäuerlichen Elite anstrebte. Warum aber Darré und damit die Landwirtschaft auf hohe Aufmerksamkeit bei der Stiftung Naturschutzgeschichte stoßen, das Jagd- und Forstwesen aber bis jetzt stark unterbelichtet bleibt, stößt bei vielen Naturschützern auf Unverständnis. Insgesamt verdeutlichte die Tagung die engen Bezüge zwischen der Institutionalisierung von Landschaftsplanung und Raumordnung in der NS-Zeit und ihrer Einbindung in die verbrecherische NS-Politik. Eines der dunkelsten Kapitel dabei ist die Mitwirkung von Garten- und Landschaftsplanern am »Generalplan Ost«, der in engem Zusammenhang mit der Herausbildung der Raumordnung in Deutschland steht. Die Landschaftsarchitekten Gert Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn - deren Fehlen auf der Tagung Verwunderung auslöste - haben die aktive Mittäterschaft ehemaliger Fachvertreter erstmals in den 80er Jahren beschrieben. Die Kollaboration von Landschaftsarchitekten und NS-Staat zeigte auch Thomas Zeller (University of Maryland) am Beispiel des »Reichslandschaftsanwaltes« Alwin Seifert. Mit der Berufung von Gartenarchitekten zu Landschaftsanwälten beim Autobahnbau bekam der im Reichsforstministerium angesiedelte Naturschutz professionelle Konkurrenz. Zum Ende des »Dritten Reiches« hatten sich mit dem Naturschutz im Reichsforstministerium, den Landschaftsanwälten beim Autobahnbau und den Beteiligten am »Generalplan Ost drei Zentren gebildet, deren Vertreter im Nachkriegsdeutschland die Weiterentwicklung der Fachgebiete Naturschutz und Landschaftsplanung prägten. Wie gingen Ost und West nach 1945 mit dem Erbe um? Das Reichsnaturschutzgesetz galt nach 1945 im Westen Deutschlands fort und wurde erst 1976 durch das Bundesnaturschutzgesetz abgelöst. Das 1954 verabschiedete DDR-Naturschutzgesetz fand leider auf der Tagung keine Beachtung, sondern wurde einseitig nur die Traditionslinie Reichsnaturschutzgesetz - Bundesnaturschutzgesetz diskutiert. Eine offene Debatte, so Jens Ivo Engels (Universtät Freiburg), fand unter Naturschützern der Bundesrepublik auf Grund der personellen Kontinuität kaum statt. Ab den 70er Jahren habe der Naturschutz unter dem breiten Dach des Umweltschutzes, der in der Öffentlichkeit als neu, also historisch unbelastet galt, agiert. Nach Ansicht von Andreas Dix (Universität Bonn) war das Jahr 1945 auch in der Sowjetischen Besatzungszone weder personell noch planerisch ein Neubeginn. Dort wurden ehemalige Landschaftsanwälte wie Otto Rindt oder Werner Bauch tätig. Eine fachliche Kontinuität machte Dix aber auch an Personen wie Reinhold Lingner und Georg Bela Pniower fest, obwohl beide während der NS-Zeit Berufsverbot hatten bzw. zwangsverpflichtet wurden. Gegen die Gleichstellung von Lingner und Pniower mit NS-belasteten Gartenarchitekten wie Hinrich Meyer-Jungclausen protestierte der Landschaftsplaner Axel Zutz, der zu Otto Rindt geforscht hat, energisch. Denn es war gerade Pniower, der als einer der Wenigen in der DDR die NS-Verstrickungen des Naturschutzes thematisierte und die z.B. von Alwin Seifert vertretenen Rasseideologien angriff, was allerdings Dix nicht erwähnte. Ein aktuelles Beispiel für den undifferenzierten Umgang mit deutscher Geschichte lieferte Rüdiger Haufe von der Stiftung Weimarer Klassik. Im Juli 2001 wurde in Jena der 1945 zwangsaufgelöste »Bund der Thüringer Berg-, Burg- und Waldgemeinden« mit Unterstützung führender Landes- und Kommunalpolitiker wieder gegründet. Sein Vorläufer gehörte zu jenen konservativ-völkisch ausgerichteten Gruppierungen, die geistig gegen die Weimarer Republik mobil machten und sich nach 1933 willig in das NS-System einfügten. Für Exponenten dieses Bundes wie Julius Kober, der überzeugter NS-Anhänger gewesen sei, so Haufe, fänden inzwischen Gedenkwanderungen statt. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr die Notwendigkeit einer offensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte des Naturschutzes vor 1945. Die Tagung war dazu eine erste Standortbestimmung. Auf Folgeveranstaltungen wird hoffent...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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