Kind der Sonne

Roland Kaiser beginnt übermorgen seine Comeback-Tournee

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Zu Unrecht wurde in der Vergangenheit einer der erfolgreichsten und beliebtesten Sänger dieses Landes, Roland Kaiser, wiederkehrend als »singende Jahrmarktswurst« und »Schlagerfuzzi« verhöhnt, der ausschließlich seichten Herz-Schmerz-Schmus und tränentreibende Schnulzen in seinem Programm habe.

Kritiker monieren, dass von der Sexualität, um die es im Werk des »Schlagerkönigs« offensichtlich häufig ginge, nie unmittelbar und freimütig gesprochen werde. Die Texte seiner Lieder seien verschwiemelt, bestünden zumeist aus schwammigen Andeutungen und zeichneten sich vor allem durch eine als Frivolität missverstandene Verschämt- und Verkniffenheit aus.

In Wirklichkeit jedoch ist, wie sich nun überraschend herausstellt, alles ganz anders. In den Texten des »Pop-Kaisers« dreht sich tatsächlich alles um die SPD. Auf die Frage, ob er, wie bereits 2005 geschehen, noch einmal für die SPD in den Wahlkampf ziehen werde, antwortete er: »Ja, wenn mich der künftige Kanzlerkandidat darum bittet.« Seit 2002 ist die »Goldene Kehle aus Spree-Athen« Mitglied der SPD – ein »überzeugter Sozialdemokrat«, wie er von sich selbst sagt.

Und in der Tat erschließen sich dem aufmerksamen Zuhörer beim Wiederhören der »kraftvollen Poesie«, wie es auf Kaisers Internetseite heißt, ganz neue, zuvor sträflich missachtete Bedeutungsebenen im Werk des Sängers: »Sie war ein Kind der Sonne / Schön wie ein erwachender Morgen«, heißt es etwa in »Santa Maria«, seinem erfolgreichstem Lied, über die SPD. Wer denkt hier nicht an die Sonne als das Symbol für politischen Fortschritt (»Brüder, zur Freiheit, zur Sonne«)? Wem käme beim »erwachenden Morgen« nicht der heraufdämmernde Morgen der Revolution in den Sinn? Wer fühlte sich beim Titel der neuen Platte (»Alles ist möglich«) nicht an Che Guevara erinnert: »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!« Und ist ein Lied wie »Manchmal möchte ich schon mit dir« nicht ein kaum verhohlenes Koalitionsangebot an die FDP?

»Ich bin ein ausgesprochener Optimist«, sagt er. Das muss man als SPD-Mitglied auch sein. Übermorgen beginnt die große Comeback-Tournee.

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